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Der Staat kann unter anderem mit weiterentwickelten Ausschreibungsbedingungen für Windprojekte auch dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Das ergibt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Untersuchung.*
Ohne mehr Windräder keine Energiewende, ohne Energiewende wären die gesteckten Klimaziele Makulatur. Die Windindustrie ist daher eine Schlüsselbranche, die prosperieren sollte. Davon ist sie jedoch weit entfernt: „Der deutsche Markt ist seit dem Jahr 2017 massiv eingebrochen. Die Ausbauzahlen sind sowohl an Land als auch auf See in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. In der Folge hat auch die Windindustrie in Deutschland deutlich an Substanz verloren. Ein signifikanter Teil der Unternehmen der Branche ist in den vergangenen Jahren vom Markt verschwunden.“ Das schreibt ein Forschungsteam von der Bremer Agentur für Struktur- und Personalentwicklung in der neuen Branchenanalyse, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall gefördert hat.
Politische Entscheidungen wie die auf möglichst niedrige Preise ausgerichtete Ausschreibungspolitik für Windprojekte ab 2017 und strenge Abstandsregelungen in verschiedenen Bundesländern haben deutliche Spuren hinterlassen. In den Jahren 2017 bis 2019 hat die Branche über 40.000 Arbeitsplätze verloren – und damit auch viel Knowhow. Die Fertigungstiefe hat stark abgenommen, seit dem vergangenen Jahr werden in Deutschland zum Beispiel keine Rotorblätter für Windräder mehr hergestellt. Größere, international tätige Firmen haben wichtige Teile der Produktion ins Ausland verlagert, unter anderem weil bei Ausschreibungen in etlichen Ländern gefordert wird, dass wesentliche Teile der Wertschöpfung vor Ort („local content“) stattfinden.
Fortschritt durch Osterpaket, doch weiter erheblicher Verbesserungsbedarf
Was muss geschehen, damit es mit der deutschen Windbranche wieder bergauf geht? Das Bremer Expertenteam macht in seiner Analyse eine Reihe von Faktoren aus. Zunächst müssten mehr neue Flächen ausgewiesen und Projekte schneller genehmigt werden. Dazu gehöre auch, für mehr Personal und eine bessere technische Ausstattung in den Behörden zu sorgen. Mit den Oster- und Sommerpaketen von 2022 setzt die Bundesregierung bereits bei Flächenausweisung und Genehmigungsverfahren an, die politischen Rahmenbedingungen, Förderungsregularien und Vergabekriterien, seien aber weiterhin verbesserungsbedürftig, so die Forschenden. Denn die Branche steht, wie etwa viele Betriebsräte monieren, seit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2017 unter enormem Kostendruck. In der Folge werde häufig gespart statt investiert.
Staatliche Unterstützung und weitere Forschungsförderung wäre auch bei der Entwicklung neuer Technologien hilfreich. Hier geht es vor allem um schwimmende Windräder, die weit vor der Küste installiert werden könnten, oder Anlagen, die den vom Windrad erzeugten Strom unmittelbar zur Erzeugung grünen Wasserstoffs nutzen. Zudem wäre es laut den Experten und Expertinnen sinnvoll, Allianzen zwischen Windbranche und Werftindustrie zu bilden, wenn es um Off-Shore-Projekte geht. Ein anderes Feld, auf dem noch viel zu tun ist, wäre die Verbesserung der Ökobilanz der Windindustrie selbst. Hier geht es insbesondere um das Recycling der riesigen Rotorblätter, die aus schwer zu trennenden Verbundmaterialien hergestellt sind.
Bezahlung nach Tarif, lokale Wertschöpfung als zusätzliche Kriterien bei Ausschreibungen
Der letztlich entscheidende Faktor ist der Untersuchung zufolge aber die menschliche Arbeit: Die Branche braucht hoch qualifizierte Beschäftigte, die sie nur bekommt, wenn sie gute Arbeitsbedingungen bieten kann. In dieser Hinsicht steht die Windindustrie jedoch eher bescheiden da. Es ist zu konstatieren, „dass Tarifverträge und Mitbestimmung in der Branche nicht die Regel sind“. Nach einer Befragung von Betriebsräten liegt die Tarifbindung unter 40 Prozent. Auch bei der Qualifizierung und Nachwuchsgewinnung hapert es. Die Ausbildungsquote liegt bei gerade einmal 3,6 Prozent – verglichen mit rund 6 Prozent im gesamten Maschinenbau.
Die Autorinnen und Autoren der Branchenstudie schlagen daher vor, eine „Arbeitsmarktstrategie zur Erreichung der Energiewende-Ziele“ zu initiieren. Neben Aus- und Weiterbildung müsste es dabei um eine Stärkung der Tarifbindung gehen. Zum Beispiel könnte die Bezahlung nach Tarif als zusätzliches Kriterium bei Ausschreibungen von Windkraftanlagen berücksichtigt werden. Ein weiteres Kriterium könnte der Anteil regionaler Wertschöpfung sein – als Reaktion auf „local-content“-Bestimmungen in vielen anderen Ländern.
Genauso wichtig wie die Arbeitsbedingungen in der Produktion sind diejenigen im Bereich Wartung und Betrieb. Auch für diese Jobs sind hoch qualifizierte Fachkräfte nötig – die nicht nur mit der komplexen Technik zurechtkommen müssen, sondern dies auch in mehr als hundert Metern Höhe bei eisigem Wind und im Offshore-Sektor über dem tosenden Meer. Und das alles bei vergleichsweise unattraktiven Arbeitszeitmodellen, in denen sich mehrtägige Arbeits- und Freizeitphasen abwechseln, weil die Entfernungen für eine tägliche Heimreise zu groß sind. Die Forschenden empfehlen, für bessere und attraktivere Jobs an zwei Stellen anzusetzen: Erstens mit einer kritischen Evaluation der Offshore-Arbeitszeitverordnung, bei der insbesondere Beschäftigte zu Wort kommen sollten, die in Offshore-Services arbeiten. Zweitens durch eine Stärkung der – bislang niedrigen – Tarifbindung.