Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller - Bilanz 2018 – 2019 (1. Halbjahr)

Rückruf-Trends der Automobilhersteller im Vergleich

Die Rückrufe der Automobilhersteller bleiben auf sehr hohem Niveau und werfen damit ein Schlaglicht auf die Produktqualität sowie die wachsende Sensibilität für Qualitätsmängel.


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Nach Berechnungen des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach wurden im ersten Halbjahr 2019 allein auf dem Referenzmarkt USA bereits über 20,1 Mio. Pkw (inkl. LCV) wegen Sicherheitsproblemen zurückgerufen. Im Gesamtjahr 2018 mussten dagegen „nur“ 27,8 Mio. Pkw wegen entsprechender Mängel in die Werkstatt.

Die Rückrufquote liegt im ersten Halbjahr 2019 mit 233 Prozent weit über dem Durchschnitt der letzten 15 Jahre (157%). Die durchschnittliche Rückrufquote drückt die Zahl der zurückgerufenen Fahrzeuge an den Neuzulassungen des Jahres aus. D.h. es wurden bislang in 2019 mehr als 2,3 Mal so viele Fahrzeuge in die Werkstätten beordert wie im gleichen Zeitraum neu verkauft wurden.

Bereits im Gesamtjahr 2018 bewegte sich die Rückrufquote mit 159 Prozent über dem Langfristmittel (2017: 147%). Ein Großteil der betroffenen zurückgerufenen Modelle bezieht sich entsprechend auf weiter zurückliegende Baujahre. In den vergangenen fünf Jahren (2014–2018) wurden insgesamt fast 213 Mio. Fahrzeuge zurückgerufen, was sogar einer Rückrufquote von 501 (!) Prozent. Die Rekordrückrufe waren wesentlich auch durch das Airbagdesaster von Takata mitbeeinflusst.

Auch im Jahr 2018 entfiel ein Anteil von 34 Prozent der Rückrufe (9,4 Mio.) auf fehlerhafte Airbags. Im ersten Halbjahr 2019 setzte sich dieser Trend fort, da in diesem Zeitraum rund 50 Prozent der sicherheitsrelevanten Produktmängel am Fahrzeug dem Insassenschutz zuzuordnen sind. Im ersten Halbjahr 2019 zählen Subaru (664%), Honda (512%), Volkswagen (490%), Mazda (417%) FCA (360%) und BMW (330%) zu den Herstellern mit den höchsten sicherheitstechnischen Rückrufquoten (vgl. Abb. 3). Bei der Rückrufmenge belegen Honda, FCA, Ford, Subaru und Volkswagen die Negativ-Spitzenplätze, die zwischen 4,03 und 1,55 Mio. Pkw. in die Werkstäten beordern müssen.

Im Langfristvergleich zwischen 2011 und 2018 haben nur wenige Hersteller bei Rückrufen eine gute Bilanz. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum über 258 Mio. Fahrzeuge zurückgerufen. Im Mittel aller Hersteller lag die Rückrufquote bei 190 Prozent. Die größten Probleme hatten zwischen 2011 und 2018 die japanischen Hersteller Honda, Mitsubishi und Mazda, die im Mittel jedes Jahr mehr als dreimal so viele Fahrzeuge zurückrufen mussten als sie Neufahrzeuge verkaufen konnten. Zu den Negativ-Spitzenreitern zählen auch FCA und BMW sowie Toyota, die im Mittel der Jahre auf Rückrufquoten von 261 bzw.  231 und 198 Prozent kommen. Die mit Abstand besten Rückrufquoten erzielen dagegen Volvo mit 46 Prozent und Jaguar Land Rover mit 79 Prozent. Deutlich besser als der Durchschnitt sind auch Nissan und Mercedes mit Quoten von 119 bzw. 120 Prozent. Der Volkswagen Konzern kommt im Mittel auf 150 Prozent ähnlich wie der Wettbewerber Hyundai. GM und Ford liegen mit 191 bzw. 154 im bzw. leicht oberhalb des Durchschnitts der Branche in den USA.

Mängel nach Baugruppen

Knapp 34 Prozent der sicherheitsrelevanten Produktmängel am Fahrzeug betrafen 2018 wiederum den Insassenschutz. Dafür verantwortlich waren jedoch nicht nur defekte Airbags des japanischen Zulieferers Takata. Vielmehr löste dieser Skandal eine Art Dominoeffekt aus, der zu einer grundsätzlichen Überprüfung der Insassenschutzeinrichtungen führte, die weitere Mängel zum Vorschein brachte. Teilweise waren auch die Austauschairbags fehlerhaft und mussten erneut zurückgerufen werden. Im ersten Halbjahr 2019 setzte sich dieser Trend fort, da aktuell rund 50 Prozent der sicherheitsrelevanten Produktmängel am Fahrzeug dem Insassenschutz zuzuordnen sind. In 2018 konnten 21 Prozent der Mängel der Elektrik/Elektronik zugeordnet werden (14% 2019/1.HJ). Auf Qualitätsmängel beim Antriebsstrang entfielen 20 Prozent der Rückrufe, während 9 Prozent der Lenkanlage, 6,5 Prozent der Karosserie, 4 Prozent der Bremsanlage und 1 Prozent dem Fahrwerk sowie 5 Prozent sonstigen Baugruppen zugeordnet werden konnten.

Gründe für Qualitätsprobleme und Folgerungen

Die Rückrufe in 2018 und 2019 zeigen wiederum, dass die Produktqualität ein zentrales Thema in der Automobilindustrie bleibt. Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: "Wenn zehn von 16 untersuchten Herstellern in 2018 wegen sicherheitstechnischer Mängel mehr Fahrzeuge zurückrufen müssen als diese im gleichen Zeitraum verkauft haben, ist das insgesamt ein bedenkliches Qualitätsniveau der Branche.

Außerdem stellen sicherheitsrelevante Mängel meist nur die "Spitze des Eisbergs" dar. Hinzu kommen eine große Anzahl stiller Rückrufe oder auch Serviceaktionen, die in den offiziellen Zahlen nicht enthalten sind.“ Wachsende Rückrufrisiken und steigende globale Sensibilität für Qualitätsmängel erfordern einen Paradigmenwechsel im Qualitätsmanagement der Automobilhersteller. Das Risiko großer Rückrufaktionen ist durch marken- und modellübergreifende Plattform- und Gleichteilestrategien sowie globale Produktionsnetzwerke erheblich gestiegen. Gleichzeitig werden sicherheitsrelevante Mängel an Fahrzeugen in den wichtigen Automobilmärkten immer weniger akzeptiert, gerade auch weil Kunden über länderübergreifende Internet Blogs und Newsgroups sehr gut informiert sind. Sicherheitsrelevante Mängel können zu Todesfällen und Verletzungen der Autofahrer führen und darüber hinaus den Herstellern Imageverluste und hohe Kosten verursachen.

Das Qualitätsmanagement vieler Automobilhersteller trägt vielfach noch nicht den neuen globalen Produktsicherheitsanforderungen Rechnung. Manche Hersteller und Zulieferer betreiben zur kurzfristigen Gewinnmaximierung eher reaktive Qualitätsmanagementsysteme mit nachsorgender Mängelbeseitigung, teilweise unter billigender Inkaufnahme von Unfällen wie im Fall der Airbagmängel. Vor dem Hintergrund veränderter Entwicklungs- und Produktionsbedingungen und neuen Technologien und Funktionen im Fahrzeug sind jedoch proaktive und vorsorgende Produktqualitätsstrategien notwendig, bei denen umfassende und langfristige Kosten-/ Nutzenbetrachtungen im Mittelpunkt stehen müssen.

Studienleiter Stefan Bratzel: „Das Qualitätsmanagement der Hersteller muss vor dem Hintergrund neuer technischer Anforderungen sowie einer wachsenden Sensibilität der Öffentlichkeit eine deutlich höhere Relevanz in Automobilunternehmen erlangen. So entsteht etwa künftig neuer Kundennutzen durch Elektromobilität, Vernetzung und (teil-)autonome Fahrfunktionen. Aber es steigen dadurch auch in erheblichem Maße die Risiken. Die Cyber-Security von Fahrzeugen wird insgesamt zum großen Sicherheits- und Qualitätsthema der Branche aufsteigen, das wesentlich über die Akzeptanz von neuen Wachstumsfeldern der Automobilindustrie entscheidet.“

Vor diesem Hintergrund müssen künftig auch Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt in Deutschland komplexere Kontrollaufgaben übernehmen und Verbraucher und Öffentlichkeit transparent informieren. Hier besteht noch Handlungsbedarf.

Center of Automotive Management (CAM)