Deutsche Umwelthilfe verklagt Bundesregierung wegen zu viel Ammoniak, Stickoxiden, Feinstaub und Schwefeldioxid in der Luft

Bundesregierung verweigert wirksame Verringerung der Luftschadstoffe im Interesse großer Industrieunternehmen und der Agrarlobby

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt auf Änderung des nationalen Luftreinhalteprogramms (NLRP) zur wirksamen und sicheren Minderung mehrerer gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe.


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Die am 20. Mai 2020 eingereichte Klage liegt dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vor und richtet sich gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung. Deutschland verfehlt mit seinem aktuellen Maßnahmenplan die verbindlichen EU-Vorgaben zur Minderung der Luftschadstoffe Ammoniak (NH3), Feinstaub (PM2,5), Stickoxide (NOx) und Schwefeldioxid (SO2) deutlich. Das NLRP soll die Einhaltung der europäischen NEC-Richtlinie (National Emission Ceilings Directive) sicherstellen. Strengere Maßnahmen braucht es vor allem in den Sektoren Verkehr, Kohle- und Holzfeuerung sowie bei der Tierhaltung. Die internationale Organisation ClientEarth unterstützt die Klage.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, betont: „Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gesundheit der Menschen ist die Saubere Luft. Doch wenn Betreiber von Kohlekraftwerken oder kriminelle Autohersteller Gewinnrückgänge durch die Verwendung verfügbarer Umwelttechnologie befürchten, kuscht die Bundesregierung. Das nationale Luftreinhalteprogramm zeigt eindrucksvoll den Kniefall vor den Industriekonzernen einschließlich der industriellen Landwirtschaft. Das ist gerade jetzt fahrlässig, weil hohe Luftverschmutzung den Krankheitsverlauf von Covid-19 verschlimmern kann. Das Programm erschöpft sich weitgehend in vagen Annahmen, ohne einen zeitlichen Horizont oder feste Zuständigkeiten zu benennen. Mit unserer neuen Klage wollen wir die Bundesregierung zwingen, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen und diese verbindlich zu verankern.“

Die DUH kritisiert neben unzureichenden Maßnahmen die fehlerhaften Emissionsprognosen im NLRP. Denn die Grundlage für die vorhergesagte Emissionsminderung der nächsten zehn Jahre ist der deutlich überholte und zu optimistische Projektionsbericht der Bundesregierung von 2017. Weiterhin beruft sich der Plan auf Instrumente, deren verbindliche Umsetzung längst nicht ausgemachte Sache ist, wie die Verzögerung des Kohleausstiegsgesetzes beispielhaft deutlich macht. Dies gilt in ähnlicher Weise auch für andere Sektoren, etwa die Landwirtschaft. Der NLRP ist nicht geeignet, um die Minderungsziele für das Jahr 2030 im Vergleich zu 2005 für Feinstaub (43 Prozent), Stickoxide (65 Prozent), Ammoniak (29 Prozent) und Schwefeldioxid (58 Prozent) einzuhalten.

Rechtsanwältin Caroline Douhaire, die die DUH in dem Verfahren vertritt, ergänzt: „Deutschland war in der Vergangenheit kein Musterschüler bei der Umsetzung der unionsrechtlichen Verpflichtungen zur Luftreinhaltung. Die anhaltenden Überschreitungen der Grenzwerte für Stickstoffdioxid in den Städten haben zu zahlreichen Verurteilungen durch die nationalen Gerichte und einer Anklage Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof geführt. Bei der Reduzierung der nationalen Gesamtemissionen zur Umsetzung der NEC Richtlinie darf Deutschland nicht denselben Fehler machen. Vielmehr müssen rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen festgelegt werden, damit die Reduktionsvorgaben sicher eingehalten werden können. Dies ist bislang aber nicht geschehen.“

Ugo Taddei, Rechtsanwalt von ClientEarth sagt: „Dieses wichtige Gesetz soll die Gesundheitsschäden von Luftverschmutzung in der EU bis 2030 halbieren, inklusive der vorzeitigen Todesfälle. Das gelingt jedoch nur, wenn die Regierungen die EU-Vorgaben auch umsetzen. Deutschland präsentiert hingegen nur eine halbherzige Version der gesetzlichen Anforderungen. Es ist essentiell, dass die europäischen Regierungen ihre Verantwortung ernst nehmen. Nur das absolute Minimum umzusetzen, reicht nicht, um unsere Lungen zu schützen. Gegen mangelhafte politische Vorgaben zur Luftreinhaltung schreiten wir notfalls auch vor Gericht ein. Die Menschen kennen mittlerweile städtische Luftbelastung und die Relevanz von gesundheitsschädlichen Pkw-Emissionen. Aber damit die Luft in unseren Städten sicher für unsere Gesundheit ist, müssen wir auch die Emissionen aus der Landwirtschaft und Industrie bekämpfen. Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie weit diese Partikel reisen und welchen Schaden sie anrichten können.“

Hintergrund:

Luftverschmutzung ist die größte umweltbedingte Gefahr für die Gesundheit in Deutschland: Nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) sterben jährlich rund 60.000 Menschen vorzeitig allein an den Folgen der Luftbelastung mit Feinstaub (PM2,5). Die NEC-Richtlinie (en.: National Emission Ceilings Directive) ist das wichtigste Rechtsinstrument der EU, um den Gesamtausstoß von Ammoniak, Stickoxiden, Feinstaub und Schwefeldioxid zu mindern. Die Richtlinie setzt für die Mitgliedstaaten unterschiedliche Minderungsziele für die Luftschadstoffe fest. Wie diese erreicht werden, müssen die Länder in nationalen Luftreinhalteplänen darlegen.

DUH Deutsche Umwelthilfe e.V. direkter Link zum Artikel