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Der Grund: Die Berechnungen zur Waldentwicklung im deutschen Treibhausgasinventar sowie im Projektionsbericht der Bundesregierung berücksichtigen natürliche Störungen im Wald wie starke Trockenheit, Schäden durch Käfer und den damit verbunden Rückgang der Vitalität der Bäume sowie ihr Absterben nicht ausreichend.
„Werden solche Unsicherheiten nicht in die Berechnungen einbezogen, entsteht ein verzerrtes Bild der CO2-Speicherleistung der Wälder, das in der Folge zu falschen Annahmen über die Größe der natürlichen Senke in der deutschen Treibhausgasbilanz führt“, fasst Dr. Klaus Hennenberg, Waldexperte am Öko-Institut und Autor der Studie, zusammen.
Bedeutung von Senken für den Klimaschutz
Wälder, Agroforste – also kombinierte Land- und Forstwirtschaft – und Grünlandböden speichern große Mengen klimaschädliches CO2. Sie werden daher Senken genannt. Auch in langlebigen Holzprodukten wie Dachbalken oder Möbelstücken wird Kohlenstoff langfristig gespeichert. Entwässerte Moorböden in der Landwirtschaft, Fischteiche und Siedlungen hingegen setzen Treibhausgase frei.
In der Nettobilanz sollen laut Klimaschutzgesetz bis zum Jahr 2030 die Landflächen 25 Millionen Tonnen CO2 und 2045 40 Millionen Tonnen CO2 aufnehmen. Dies soll in der deutschen Treibhausgasbilanz dafür sorgen, dass unvermeidbare Emissionen etwa aus der Industrie oder der Landwirtschaft kompensiert werden, um bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen.
Methodische Unsicherheiten berücksichtigen
Im Treibhausgasinventar der Bundesregierung wird die Senkenleistung des Waldes, also dessen Speicherleistung für CO2, berichtet. Dabei werden die Daten der Waldinventuren sowie Daten der jährlichen Holzentnahme berücksichtigt. Die letzte Waldinventur fand im Jahr 2017 statt. Starke natürliche Störungen, die ab dem Jahr 2018 auftraten, werden erst in der vierten Bundeswaldinventur sichtbar, die im Oktober veröffentlicht werden soll. Mit diesen Daten wird die bisherige Berichterstattung korrigiert – also über fünf Jahre später.
Um zu berechnen, wie sich die Treibhausgasemissionen im Waldsektor in Zukunft entwickeln, simuliert das Thünen-Institut mit seinem wissenschaftlichen Matrixmodell Entwicklungen für die Folgejahre. Es schreibt dabei Bedingungen für den Wuchs von Bäumen im Wald von 2013 bis 2017 fort, also auch einen Zeitraum, in dem es wenig natürliche Störungen im Wald gab.
Bereits ohne die Daten der vierten Bundeswaldinventur dokumentieren Satellitenbilder in verschiedenen Regionen Deutschlands erhebliche Waldschäden. Zudem liegen Zahlen zum gehäuften Absterben von Baumarten, insbesondere der Fichte, aus den jährlichen Waldzustandserhebungen vor. Eigene Modellierungen des Öko-Instituts berücksichtigen jährliche Daten zusammen mit Experteneinschätzungen und simulieren so insbesondere in den Jahren seit 2017 erhebliche Schäden im deutschen Wald.
„Für ereignisarme Zeiten im Wald liegen die Berechnungen des Waldmodells Fabio des Öko-Instituts und die des Thünen-Instituts nahe beieinander“, ergänzt Hennenberg. „Für die Jahre mit großen Störungen kommen wir aber zu einem anderen Bild. Die in Kürze erscheinende vierte Bundeswaldinventur wird zeigen, ob wir hier richtig liegen und in welchem Umfang die Berechnungen im nationalen Treibhausgasinventar nachjustiert werden müssen“.
Auch für die Annahmen für die Zukunft spielt es eine Rolle, in welchem Umfang natürliche Störungen im Wald in die Berechnungen einbezogen werden. Denn je höher die prognostizierte Senke, desto weniger Anstrengungen müssen andere Sektoren unternehmen, ihre Treibhausgase bis zum Jahr 2045 zu senken. „Unsicherheiten für die Waldsenke sehen wir in der Größenordnung von 30 Mio. t CO2. Diese Risiken sind frühzeitig zu berücksichtigen, andernfalls gerät die deutsche Klimaschutzstrategie aus dem Gleichgewicht“, so Hennenberg.
Studie „Kurzstudie zur Modellierung der THG-Bilanz der lebenden Bäume im Mit-Maßnahmen-Szenario (MMS) des Projektionsberichts“ des Öko-Instituts