Praxisprobleme bei der Einstufung wassergefährdender Abfälle

In unserem Beitrag vom 31.08.2020 (Rubrik „GGSC/ Organisation der Abfallwirtschaft“) hatten wir die Praxisprobleme im Umgang mit wassergefährdenden Stoffen in der Abfallbewirtschaftung im Allgemeinen beleuchtet. Im vorliegenden Beitrag befassen wir uns näher mit den Problemen bei der Einstufung wassergefährdender Abfälle.


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

Betreiber von Anlagen zur Abfallbewirtschaftung und Abfallzwischenläger sehen sich mit der Problematik der Einstufung der gehandhabten Abfälle als nicht wassergefährdend oder in eine der drei Wassergefährdungsklassen konfrontiert.

Abfälle werden i.d.R. aus zwei oder mehreren Stoffen bestehen, also ein „Gemisch“ i.S.d. AwSV darstellen. Die AwSV unterscheidet zwischen festen, flüssigen sowie gasförmigen Gemischen und Gemischen, die nur aus aufschwimmenden flüssigen Stoffen bestehen.

Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung für feste Gemische

Für feste Gemische sieht die AwSV eine Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung vor. Diese Fiktion hat folgenden Vorteil: Der Anlagenbetreiber ist nach der AwSV grundsätzlich verpflichtet, sämtliche in seiner Anlage anfallenden Stoff(gemisch)e als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse einzustufen. Der Verordnungsgeber hat jedoch erkannt, dass eine konsequente Umsetzung der Einstufungspflicht in Hinblick auf die in der Wirtschaft überall anfallenden festen Abfälle zu einem hohen bürokratischen Aufwand und zeitlichen Verzögerungen bei der Entsorgung führen würde. Aus diesem Grund hat er feste Gemische von vornherein pauschal der Gefährdungsklasse der allgemeinen Wassergefährdung zugeordnet, um diese aus der Verpflichtung zur Selbsteinstufung und Dokumentation herauszunehmen.

Für Anlagenbetreiber bedeutet dies, dass sie für sämtliche Anlagen insgesamt oder für einzelne Anlagen den hohen Aufwand der Auflistung und Einstufung sämtlicher Stoff(gemische)e aller Abfallströme vermeiden und die Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung gegen sich gelten lassen können. In diesem Fall würden sie den damit verbundenen Pflichten der AwSV unterliegen. Die AwSV sieht für allgemein wassergefährdende Stoff(gemisch)e diverse privilegierende Regelungen vor.

Entkräftung der Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung

Kommt es für den Anlagenbetreiber im Einzelfall hingegen nicht infrage, die Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung in Bezug auf sämtliche Abfälle einer bzw. aller Anlagen oder in Bezug auf einzelne Abfallarten gegen sich gelten zu lassen, steht ihm die Möglichkeit der Entkräftung der Fiktion zur Verfügung.

So gilt ein festes Gemisch nicht als wassergefährdend, wenn das Gemisch oder die darin enthaltenen Stoffe vom Umweltbundesamt als nicht wassergefährdend im Bundesanzeiger veröffentlicht wurden. Hierbei handelt es sich um solche Stoffe/ Stoffgruppen/ Gemische, die in der Internet-Datenbank „Rigoletto“ des Umweltbundesamtes veröffentlicht werden.

Ebenso als nicht wassergefährdend gelten feste Gemische, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Zusammensetzung eine nachteilige Veränderung der Gewässereigenschaften nicht zu besorgen ist. Hierunter fallen solche Abfälle, die nicht offensichtlich oder gar zielgerichtet durch andere wassergefährdende Stoffe verunreinigt sind. Dies gilt bspw. für Anlagen zur Lagerung von Altglas, Altpapier oder Holzresten, die nicht mit Holzschutzmitteln behandelt sind.

Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit der freiwilligen Selbsteinstufung der gehandhabten Abfälle als nicht wassergefährdend. Der Anlagenbetreiber hat die Selbsteinstufung zu dokumentieren und die Dokumentation der zuständigen Behörde vorzulegen.

Pflicht zur Einstufung flüssiger und gasförmiger Gemische

Die Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung gilt hingegen nicht für die sonstigen Gemische. Für diverse AVV-Nummern ist denkbar, dass hierunter flüssige Stoff(gemisch)e fallen, so bspw. innerhalb der AVV 08 03 19* „Dispersionsöl“ oder der AVV 20 01 30 „Reinigungsmittel mit Ausnahme derjenigen, die unter 20 01 29 fallen“. Dies betrifft insb. die Fälle, in denen nicht vollständig restentleerte Verkaufsverpackungen (Kanister, Flaschen u.ä.) abgegeben werden. Unerheblich ist hierbei, ob flüssige Abfälle im Verhältnis zur Gesamtmenge der in einer Anlage gehandhabten Abfälle nur in geringen Mengen vorkommen. Die AwSV kennt insoweit keine Bagatellgrenze.

Für die nicht festen Gemische besteht die Pflicht des Anlagenbetreibers, diese entsprechend ihrer Gefährlichkeit als nicht wassergefährdend oder in eine der drei Wassergefährdungsklassen einzustufen. Der Anlagenbetreiber hat die Einstufung zu dokumentieren und die Dokumentation der zuständigen Behörde vorzulegen.

Solange die Gemische nicht eingestuft sind, gelten sie als stark wassergefährdend. In diesem Fall stellt die AwSV erhöhte Anforderungen an den Zustand und den Betrieb der betreffenden Anlage.

Praxisprobleme bei der Einstufung von Abfällen

Die Einstufung von Abfällen begegnet in der Praxis vielgestaltigen Problemen. Die Auflistung und Identifizierung sämtlicher Stoff(gemisch)e aller gehandhabten Abfallströme ist mit großem Aufwand verbunden. Die gesetzliche Klassifizierung von Abfallarten bietet hierbei keine validen Anhaltspunkte, da die AVV-Nummern und ihre Abfallbezeichnungen nicht kleinteilig genug sind. Eine pauschal gültige Aussage, dass unter eine konkrete AVV-Nummer bestimmte homogene Stoff(gemisch)e fallen, kann nicht getroffen werden. Vielmehr lassen sich unter eine AVV-Nummer Abfälle fassen, die sich hinsichtlich ihrer Herkunft und Zusammensetzung im konkreten Fall wesentlich unterscheiden können.

Für eine realistische Einschätzung der gehandhabten Abfälle wären daher Beprobungen und Analysen erforderlich, die in der Praxis in einem solchen Umfang kaum möglich sein werden.

Fazit

Für die meisten Anlagenbetreiber dürfte im Ergebnis die Einstufung ihrer Anlage als Anlage zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen allein aufgrund der Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung von festen Gemischen nicht zu verhindern sein. Denn aufgrund der variierenden Zusammensetzung der Abfallströme und der Vielzahl unterschiedlicher Stoff(gemisch)e scheint es nicht möglich, für alle gehandhabten Abfälle in einer Anlage die Fiktion der allgemeinen Wassergefährdung zu widerlegen. Allerdings kann es in Hinblick auf einzelne Abfälle sehr wohl sinnvoll sein, die Fiktion zu widerlegen. Dann wären die stoffbezogenen Anforderungen und Pflichten der AwSV zumindest auf jene Abfälle nicht mehr anwendbar, bspw. könnten diese dann ohne Abdeckung gelagert werden. Um eine Auflistung und Identifizierung der Stoff(gemisch)e nicht fester Abfälle werden Anlagenbetreiber hingegen nicht herumkommen.

In einem der folgenden Beiträge werden wir uns im Zusammenhang mit der AwSV näher mit den Anforderungen an die Löschwasserrückhaltung sowie an Lagerflächen beschäftigen.

[GGSC] berät öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger und kommunale Entsorgungsunternehmen regelmäßig gerichtlich und außergerichtlich in allen Fragen des Abfall- und Anlagenzulassungsrechts.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll