Bemessung von Fremdleistungsentgelten nach öffentlichem Preisrecht genügt dem gebührenrechtlichen Erforderlichkeitsprinzip

Hessischer VGH:

Die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe eine entsorgungspflichtige Körperschaft auch Kosten für in Anspruch genommene Fremdleistungen in der Gebührenkalkulation berücksichtigen darf, beschäftigt immer wieder die Verwaltungsgerichte.


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Aktuell stellt der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel in einem Beschluss vom 16. Juni 2016 (Az.: 5 A 1278/15.Z) fest, dass Entgelte für tatsächlich in Anspruch genommene Fremdleistungen, deren konkrete Höhe nach den Grundsätzen des öffentlichen Preisrechts bemessen wurde, in der Gebührenkalkulation berücksichtigungsfähig sind und dem gebührenrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit gerecht werden.

Sachverhalt

Dem Beschluss des VGH Kassel lag die Klage einer Stadt gegen zwei Abfallgebührenbescheide des beklagten Kreises als entsorgungspflichtiger Körperschaft zu Grunde. Der beklagte Kreis ließ seine Abfallentsorgung durch einen Dritten durchführen, welcher zu diesem Zweck wiederum Entsorgungsverträge über die Müllverbrennung und Deponierung mit weiteren juristischen Personen abschloss.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt a.M. hat die Klage in erster Instanz mit Urteil vom 23.04.2015 (Az.: 6 K 1474/13.F) als unbegründet abgewiesen. Im Rahmen der Abfallgebührenkalkulation – so das Verwaltungsgericht – könnten auch Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen eingestellt werden, wobei deren Höhe durch den gebührenrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit begrenzt sei. Der Nachweis der Erforderlichkeit könne seitens der entsorgungspflichtigen Körperschaft dadurch geführt werden, dass sie nachweise, dass die für Fremdleistungen erhobenen Entgelte den Vorgaben der Leitsätze für die Preiseermittlung aufgrund von Selbstkosten entsprechen. Dies sei hier durch Vorlage eines entsprechenden Gutachtens gelungen.

Gegen diese Entscheidung wandte sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung an den VGH Kassel. Dieser folgte in der Sache der Argumentation der Vorinstanz und wies den Zulassungsantrag zurück. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Fremdleistungsentgelte als ansatzfähige Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation

In Anknüpfung an seine ständige Rechtsprechung und die weiterer Obergerichte, stellt der VGH Kassel zunächst klar, dass Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen als ansatzfähige Kosten im Rahmen der Gebührenkalkulation berücksichtigungsfähig sind. Außerdem stellt der VGH klar, dass für Fremdleistungen – wie auch für Eigenleistungen – der Grundsatz der Betriebsbedingtheit gelte, auch solche Leistungen also für den Betrieb der öffentlichen Einrichtung erforderlich sein müssten. Im Einklang mit der Vorinstanz ist auch der VGH Kassel der Meinung, dass bei einer Fremdleistung, deren Entgelt in die Gebührenkalkulation eingestellt wurde und die nicht aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung vergeben wurde, der – für die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung – maßgebliche Nachweis der Erforderlichkeit der Entgelthöhe dadurch geführt werden könne, dass das konkret erhobene Entgelt den Vorgaben der Vorschriften des öffentlichen Preisrechts genüge.

Vorschriften des öffentlichen Preisrechts genügen den Anforderungen des gebührenrechtlichen Erforderlichkeitsprinzips

Auch das Argument der Klägerin, es sei nicht erkennbar, inwieweit die Anforderungen des gebührenrechtlichen Erforderlichkeitsprinzips durch das öffentliche Preisrecht erfüllt würden, da hiernach nur höchstzulässige Preise ermittelt würden, lässt der VGH im Einklang mit der Vorinstanz nicht durchgreifen. Bei dem durch die Rechtsprechung entwickelten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“, handele es sich nämlich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher der gerichtlichen Überprüfung unterliege. Andererseits – so der VGH weiter – unterliege der Satzungsgeber bei der Bestimmung der in diesem Sinne ansatzfähigen Kosten einer Veranschlagungsmaxime, da er von Schätzungen, Prognosen und Werturteilen abhängig sei, die wiederum nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar seien. Sind bei einer solchen (eingeschränkten) gerichtlichen Überprüfung keine besonderen Anhaltspunkte erkennbar, halte es sich im Rahmen der genannten Veranschlagungsmaxime, von den nach öffentlichem Preisrecht zulässigen Preisen auszugehen.

Kein Erfordernis der gebührenrechtlichen Überprüfung von weiteren – zur Erfüllung der Aufgabe der Abfallentsorgung – eingesetzten Dritten

Unerheblich für die Frage der gebührenrechtlichen Erforderlichkeit von nach öffentlichem Preisrecht bemessenen Fremdleistungsentgelten ist es nach Auffassung des VGH grundsätzlich, dass im Rahmen der Leistungserbringung ggf. weitere juristische oder natürliche Personen eingeschaltet werden. Überprüft werde die Gebührenkalkulation der gebührenerhebenden Körperschaft. Im Rahmen dessen werde die Erforderlichkeit der angesetzten Kosten und damit u.a. der angesetzten Entgelte für durch die gebührenerhebende Körperschaft in Anspruch genommene Fremdleistungen überprüft. Führe diese Prüfung dazu, dass die Entgelte als erforderlich zu qualifizieren sind, sei es unerheblich, ob der die Fremdleistung erbringende Dritte – oder von ihm wiederum eingeschaltete weitere juristische oder natürliche Personen – unter bestimmten wirtschaftlichen Voraussetzungen auch geringere Entgelte hätten verlangen können. Vom Gericht überprüft – so der VGH weiter – werde die Erforderlichkeit des in die Gebührenkalkulation eingestellten Fremdleistungsentgelts – in der streitgegenständlichen Konstellation unter Zuhilfenahme der Regelungen des öffentlichen Preisrechts.

Fazit

Die Entscheidung des Hessischen VGH ist in der Sache überzeugend. Sie berücksichtigt den auf Seiten der gebührenerhebenden Körperschaften zwingend notwendigen (Prognose-) Spielraum. Die Vorschriften des öffentlichen Preisrechts geben einen sinnvollen Maßstab vor, um die Erforderlichkeit der Aufwendungen in kommunalabgabenrechtlicher Hinsicht zu begründen. Dabei ist aber Vorsicht bei Wagnis- und Gewinnzuschlägen sowie kalkulatorischer Verzinsung geboten, die im Einzelfall preisrechtlich zwar zulässig, gebührenrechtlich aber problematisch sein können.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll