Fehlende Erforderlichkeit der Abfallgebühr bei Teilprivatisierung

In zwei aktuellen Entscheidungen zum Gebührenrecht hat das OVG SH die Erforderlichkeit von Gebühren verneint, in die Entgelte einer gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft eingestellt waren

Das Gericht kritisierte, es lasse sich nicht rechtfertigen, dass die zunächst als Eigengesellschaft beauftragte und im Anschluss an ein europaweites Verfahren zum Anteilsverkauf teilprivatisierte Gesellschaft günstiger leisten kann, als dies bei der Aufgabenerfüllung durch die Kommune selbst der Fall wäre. Insoweit kann diese Entscheidung Überlegungen schleswig-holsteinischer Aufgabenträger zur Rekommunalisierung Vorschub leisten (OVG SH, Urteil vom 10.09.2015, Az.: 4 LB 45/14).


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Das Gericht hat die Erforderlichkeit der vom Zweckverband (als Aufgabenträger) an eine gemischtwirtschaftliche Beteiligungsgesellschaft zu zahlenden Entgelte angezweifelt, die in die Gebührenkalkulation eingestellt worden waren. An dieser Gesellschaft hielt der Aufgabenträger die Mehrheit. Der Kläger hatte die Vereinbarkeit der Gründung dieser Entsorgungsgesellschaft sowie deren umfassende Beauftragung mit Leistungen der Abfallbeseitigung mit dem Vergaberecht angezweifelt und daraus kommunalabgabenrechtliche Bedenken abgeleitet. Vor allem hat das Gericht die Gebührensätze wegen der dort eingestellten Leistungsentgelte an die gemischtwirtschaftliche Gesellschaft als überhöht und nicht mehr erforderlich eingestuft.

Der dortigen Teilprivatisierung der Gesellschaft war ein umfassendes, europaweites Vergabeverfahren vorausgegangen. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 KAG gehören zu den erforderlichen Kosten auch Entgelte für die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe in Anspruch genommenen Leistungen Dritter, soweit die Dritten unter Beachtung der Vorschriften des Vergaberechts beauftragt worden sind. Eine vergabekonforme Beauftragung konnte das Gericht nicht erkennen. In der Tat war die Vergabekammer mit einem Nachprüfungsantrag befasst worden und hatte in einem Beschluss vom 17.08.2004 (Az.: VK-SH 20/04) eine Reihe von Vergabeverstößen festgestellt. Als entscheidenden, „vergaberechtlichen“ Fehler hat das OVG aber nunmehr die Beauftragung der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt eingestuft, in dem diese noch Eigengesellschaft des Verbandes war. In einem sich an die Beauftragung anschließenden, europaweiten Vergabeverfahren wurde dann die Anteilsveräußerung ausgeschrieben. Nach Auffassung des Gerichts kann diese Ausschreibung der Veräußerung der Geschäftsanteile die Ausschreibung des Dienstleistungsauftrags nicht ersetzen. Vielmehr stuft das Gericht die Beschränkung auf die Ausschreibung der Geschäftsanteile als versuchte Umgehung der Regelungen des europäischen Vergaberechts ein.

Als ausschlaggebenden Fehler der dortigen Teilprivatisierung hat das Gericht aber angesehen, dass – offenbar – vom Bieter im Vergabeverfahren auch ein hoher Kaufpreis auf den Geschäftsanteil zu leisten gewesen sein soll. Darüber hinaus bemängelte das Gericht, dass der Bieter in relativ weitem Umfang zur Wahrung des Bestandsschutzes für die zu übernehmenden Arbeitnehmer verpflichtet worden war. Im Vergabeverfahren hatten die Bieter solche Arbeitnehmerschutzvorschriften anlässlich der Umstrukturierung im Rahmen eines „Mindestkatalogs“ als verbindlich anzuerkennen. Auf ähnliche Weise sollten bei der Teilprivatisierung der SWK Arbeitnehmerinteressen abgesichert werden. Das Gericht ist der Auffassung, mit dieser „im Grundsatz bindend vorgegebenen Transaktionsstruktur und den vorgeschriebenen institutionellen Bindungen (sei) keine Wirtschaftlichkeit zu erwarten“ gewesen. Insoweit stehe für den Senat „außer Zweifel“, dass der letztlich im Entsorgungsvertrag vereinbarte Preis überhöht sei. Hinzu kam, dass die Abfallgebühr des beklagten Zweckverbandes deutlich über derjenigen benachbarter Gebiete lag.

Die mit diesem neuen Urteil verfolgte Linie des OVG Schleswig-Holstein würde dazu führen, dass Leistungen der Abfallentsorgung von privaten Dritten nur noch infolge einer Ausschreibung erbracht werden dürfen. Ob damit die dem Aufgabenträger zustehende Organisationshoheit und das Organisationsermessen zutreffend bewertet werden, sei dahingestellt. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die vom Gerichtshof angelegten, vergaberechtlichen Maßstäbe zutreffend gewählt wurden: Eine zweistufige Vorgehensweise (In der Regel: Ausschreibung Gesellschafteranteile, dann Gründung Gesellschaft und Beauftragung derselben) muss nicht per se vergaberechtlichen Bedenken begegnen. Vielmehr verlangt auch der EuGH nicht stets eine „doppelte Ausschreibung“ von Gesellschaftsgründung und Auftrag. So hält er in der Rechtssache „Acoset SpA“ (Urteil vom 15.10.2009) die Einführung einer doppelten Ausschreibung für „schwer vereinbar mit der Verfahrensökonomie“, die mit der Gründung und Beauftragung öffentlich-privater Partnerschaften gerade erzielt werden soll. Mit dieser Entscheidung des EuGH hat sich das OVG Schleswig nicht befasst.

Zum vom OVG Schleswig jetzt entschiedenen Fall ist zusätzlich anzumerken, dass einziges Zuschlagskriterium ausweislich der Entscheidung der Vergabekammer aus dem Jahr 2004 die für die GmbH gebotenen Einzelpreise für Entsorgungsleistungen sein sollten. Von daher ist zu fragen, ob es bei der Beurteilung der seinerzeit durchgeführten Ausschreibung nicht einer deutlich stärker differenzierenden Einschätzung bedurft hätte.

Jedenfalls verdeutlicht die Entscheidung, dass die Aufgabenträger im Land Schleswig-Holstein gut beraten sind, primär auf eine Eigenerbringung der Leistungen zu setzen. Das Gericht beruft sich unter Zitat umfassender Rechtsprechung auf den Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit der Kommune, ihre Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen. Gerade aufgrund der (Umsatz-) Steuerbelastung der privaten Dritten könne die Gebührenbelastung der Gebührenschuldner bei Beauftragung privater Dritter erheblich steigen.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll