Aufhebung und Auftragswertschätzung

Die COVID-19 Pandemie führte zu Lieferengpässen und Materialpreissteigerungen in der Baubranche, die sich mit Eintritt des Krieges in der Ukraine verschärften.


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Bei vergaberechtlichen Bauaufträgen der öffentlichen Hand mit Auftragsbekanntmachung kurz nach der Invasion in die Ukraine im Februar 2022 stellt sich die Frage, inwiefern die Kostenschätzung einer Aktualisierung bedarf. Zur Aufhebung des Vergabeverfahrens, basierend auf der Annahme eines schwerwiegenden Grundes durch Übersteigen des Auftragsbudgets äußerte sich die VK Südbayern (Beschl. v. 12.12.2022, Az.: 3194.Z3-3_01-22-33).

Sachverhalt

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb einen Bauauftrag im Wege eines offenen Verfahrens aus. Das einzige Zuschlagskriterium der Bekanntmachung war der Preis. Nachdem das Vergabeverfahren für diesen Bauauftrag zuvor bereits auf Grund eines Änderungsbedarfs der Vergabeunterlagen aufgehoben worden war, reichte im zweiten Vergabeverfahren lediglich ein Bauunternehmen ein Angebot ein. Da dieses Angebot erheblich über der Schätzung des Auftragswerts und dem Budget des Auftraggebers lag, ging dieser vom Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A aus und hob das Vergabeverfahren erneut auf.

Entscheidung der Vergabekammer

Gegen die Aufhebung des Vergabeverfahrens stellte das Bauunternehmen einen Nachprüfungsantrag und erzielte einen Teilerfolg.

Zwar stellt die Vergabekammer hinsichtlich der Wirksamkeit der Aufhebungsentscheidung fest, dass ein schwerwiegender Grund nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A dann vorliegen kann, wenn selbst das niedrigste wertungsfähige Angebot höher liegt als die verfügbaren Mittel. Denn der öffentliche Auftraggeber kann grundsätzlich nicht von einer Nachprüfungsinstanz gegen seinen Willen dazu verpflichtet werden, im Rahmen einer begonnenen Ausschreibung einen Auftrag zu erteilen, den er als unwirtschaftlich erachtet. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit ist maßgeblich, mit welcher Kostenhöhe der Auftraggeber tatsächlich plante.

Die Aufhebung aufgrund der (fehlenden) Wirtschaftlichkeit ist ein sachlicher Grund. Zudem darf keine Diskriminierung einzelner Bieter, Entscheidungswillkür oder Scheinaufhebung zu verzeichnen sein. Allerdings kann sich die wirksame Aufhebungsentscheidung als rechtswidrig erweisen, wenn die Ursache des schwerwiegenden Grundes dem Auftraggeber zuzurechnen und durch diesen zu verantworten ist, hier also der Auftraggeber den Finanzbedarf des Auftrages zu niedrig bemessen hat.

Aktualisierungsbedarf für zu niedrig bemessene Kostenschätzung

Denn der Ausschreibung zu Grunde liegende Kostenschätzungen, die nicht mit den Marktpreisen auf Grund extremer Entwicklungen konform sind, sind vom Auftraggeber zu aktualisieren oder jedenfalls mit hinreichenden Risikozuschlägen zu versehen.

Diesem Änderungsbedarf der verfügbaren Mittel auf Grund von Marktpreisveränderungen nach Bekanntgabe kann der Auftraggeber nicht durch vertragliche Stoffpreisgleitklauseln begegnen, die lediglich eine Preissteigerung zwischen Submissionstermin und Abrechnungszeitraum umfassen, wenn die Preissteigerung bereits vor Angebotsabgabe eintrat – so die Vergabekammer. Die fehlerhafte Ausgestaltung der Vergabeunterlagen hätte sich dem Auftraggeber jedenfalls bei der zweiten Ausschreibung auf Grund der ausbleibenden wirtschaftlichen Angebote bei der ersten Ausschreibung aufdrängen müssen.

Die Aufhebung einer Dienstleistungsausschreibung aus schwerwiegendem Grund

Bei Dienstleistungen richtet sich die Aufhebung eines Vergabeverfahrens aus schwerwiegenden Gründen nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV. Auch hier kann sich der schwerwiegende Grund aus wirtschaftlichen Erwägungen ergeben, sofern das Vorliegen des Grundes nicht vom Auftraggeber zu verschulden ist.

[GGSC] berät Vergabestellen – auch bei der Aufhebung von Vergabeverfahren.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll. [GGSC]