Inhouse-Vergabe bei fehlender Anwendbarkeit des GWB-Vergaberechts?

Finden die Vorschriften des GWB-Vergaberechts auf einen bestimmten Leistungsbereich keine Anwendung, sind auch die Inhouse-Ausnahmen des § 108 GWB nicht anwendbar. So sieht es jedenfalls das OLG Naumburg für die Vergabe von Wasserkonzessionen, welche ausdrücklich von der Anwendung des GWB-Vergaberechts ausgenommen sind (Urteil vom 03.06.2022, 7 U 6/22 Kart).


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Was gilt bei Bereichsausnahmen vom GWB-Vergaberecht?

Sofern ein Leistungsbereich ausdrücklich von der Anwendung des vierten Teiles des GWB ausgenommen ist, unterliegt er nicht den dortigen Anforderungen an die Durchführung eines Vergabeverfahrens. Das ist soweit noch unstreitig. Aber was gilt stattdessen? Diese Frage betraf vor allem die Vergabe von Wasserkonzessionen, welche ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EU-Konzessionsvergaberichtlinie und des GWB ausgenommen sind.

Zum Teil wurde vertreten, für die Vergabe solcher Leistungsgegenstände sei dann (gar) kein spezifisches Verfahren einzuhalten. Überwiegend wurde jedoch die Beachtung der Grundsätze des EU-Primärrechts jedenfalls bei möglicher Binnenmarktrelevanz der Konzession für erforderlich gehalten. Ist ein Auftrag oder eine Konzession also für Anbieter aus anderen EU-Ländern interessant, bleiben die tragenden Grundsätze insbesondere der Transparenz, Nichtdiskriminierung etc. zu wahren. Dies hat zwischenzeitlich auch der BGH bestätigt. Bei Konzessionen von geringerer Reichweite ist überdies zumindest das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot nach § 19 GWB zu beachten.

Anwendung primärrechtlicher Grundsätze – auch hinsichtlich Inhouse-Grundsätzen?

Gleichzeitig wurde in der bisherigen Diskussion vielerorts weiterhin durchaus davon ausgegangen, dass die Grundsätze der Inhouse-Vergabe, welche für Aufträge und Konzessionen öff. Auftraggeber nach § 108 GWB gelten, im Grundsatz auch auf Konzessionen in der Wasserversorgung übertragbar sein sollen. Wenn schon eine vom GWB-Vergaberecht umfasste Leistung im Inhouse-Wege beauftragt werden darf (sofern die Voraussetzungen vorliegen), sollte dies nicht erst recht für Leistungen gelten, die von der Anwendung des Vergaberechts sogar ausdrücklich ausgenommen sind?

Das OLG Naumburg sieht dies für eine mögliche „Inhouse-Konzession“ in Teilen durchaus strenger: Mangels Anwendbarkeit des GWB sollen die dort geregelten Ausnahmen zur Inhouse-Vergabe weder unmittelbar noch analog anwendbar sein. Vielmehr sollen nach Auffassung des Gerichts die Anforderungen aus der Rechtsprechung des EuGH zu Inhouse-Geschäften vor deren Kodifizierung in Richtlinie und GWB herangezogen werden. Das sogenannte Wesentlichkeitskriterium sei danach nur gewahrt, wenn die sog. Fremdumsätze des betrauten Unternehmens höchstens 10 % seiner Gesamtumsätze ausmachten. § 108 GWB gesteht einem Inhouse-Unternehmen dagegen mittlerweile höhere Fremdumsätze zu (bis zu knapp 20 %).

Tragweite der Entscheidung

Das Urteil setzt die Hürde für Inhouse-Konzessionen im Wasserbereich hoch: Zur Vermeidung von Risiken sollte der Konzessionsgeber also, will er den Anforderungen des OLG gerecht werden, darauf achten, dass das zu betrauende Unternehmen nur zu moderatem Anteil (max. 10 %) Fremdgeschäfte tätigt.

Vergaben im Unterschwellenbereich außerhalb des GWB sind dagegen von der (strengen) Auffassung des OLG Naumburg nicht (mehr) berührt. Für diese trifft § 1 Abs. 2 UVgO mittlerweile eine ausdrückliche Regelung: Bei Vorliegen der Inhouse-Voraussetzungen nach § 108 GWB ist auch das Vergaberecht der UVgO nicht anwendbar. Im Unterschwellenbereich sind Inhouse- Geschäfte daher analog GWB möglich.

Dass im Ergebnis der Auffassung des OLG Naumburg also ausgerechnet Trinkwasserkonzessionen, welche nach dem Anliegen des EU-Richtliniengebers keinem strengen regulatorischen Rahmen unterliegen sollte, an engere Inhouse-Kriterien gebunden ist als andere Leistungsgegenstände, kann zu Wertungswidersprüchen führen.

Letztlich zeigt sich darin aber nur ein weiteres Mal, dass die Bereichsausnahme für die Wasserversorgung weder zu größeren Freiheiten noch zu Rechtssicherheit geführt hat. Bei Beachtung der engen Inhouse-Anforderungen im Sinne der bisherigen EuGH-Rechtsprechung bleiben Inhouse-Konzessionen aber auch im Bereich der Wasserversorgung möglich.

[GGSC] berät Kommunen bei der Ausschreibung von Trinkwasser- und Abwasserkonzessionen – mit oder ohne Binnenmarktrelevanz.

Gaßner, Groth, Siederer & Coll. [GGSC]