GGSC - Vergaberecht [GGSC]

Fehlt im Angebotsformular, das digital in einem Verfahren der e-Vergabe über eine Plattform eingereicht worden ist, die letzte Seite mit dem dortigen „Unterschriftenfeld" (hier: Formular 213), muss dies nicht zwingend den Ausschluss des Angebots zur Folge haben. Zumindest soll dies dann gelten, wenn aus den übrigen Seiten des Angebots zuverlässig auf das Bieterunternehmen geschlossen werden kann. Die Vergabekammer Sachsen hielt stattdessen die Nachforderung der letzten Seite in einem VOB/A-Verfahren für zulässig (Beschl. v. 13.03.2023, Az.: 1/SVK/034-22).

 Berlin, 22.05.2023

Trotz Kodifizierung der Anforderungen an vergabefreie Kooperationen und In-House-Geschäfte in § 108 GWB bleiben weiterhin Fragen offen. Konkretisierungen hat der EuGH in einem Urteil vom 22.12.2022 vorgenommen (Az.: Rs. C-383/21 u. C-384/21 – Sambre & Biesme). Diese betreffen die Kontrolle über eine gemeinsame In-House-Gesellschaft einerseits und die Anforderungen an die horizontale Zusammenarbeit andererseits.

 Berlin, 03.05.2023

Die VK Lüneburg hat bekräftigt, dass jedenfalls bei Bauvergaben unverändert eine Verpflichtung bestehe, Preisgleitklauseln zu vereinbaren. Wegen des Ukrainekriegs sei eine Ausschreibung ohne Preisgleitklausel ein Verstoß gegen das Verbot, den Bietern ein ungewöhnliches Wagnis aufzuerlegen. (Beschl. v. 01.02.2023, Az.: VgK-27/2022).

 Berlin, 24.04.2023

Anhand der Zuschlagskriterien bewertet der Auftraggeber das Preis-Leistungs-Verhältnis der beschafften Leistungen. Insbesondere kann er auf diese Weise Qualität und Preis in Ausgleichung bringen. Ein aktueller Beschluss der VK Bund vom 07.12.2022, VK 2-96/22 ruft die Anforderungen an Zuschlagskriterien in Erinnerung. Ausgehend davon wendet er diese Grundsätze auf eine besondere Situation in einem Verfahren zur Beschaffung von IT-Beratungsleistungen an.

 Berlin, 15.03.2023

Die Gewährung staatlicher Zuwendungen erfolgt häufig unter dem Vorbehalt einer ordnungsgemäßen Auftragsvergabe. Bei Verstößen gegen das Vergaberecht droht die Rückforderung der Fördermittel. Jedoch kann der Auftraggeber diese nicht automatisch insgesamt zurückverlangen. Eine Rückforderung ist insbesondere dann nicht rechtmäßig, wenn der Zuwendungsgeber seinen Ermessensspielraum hinsichtlich des „ob“ und „wie“ nicht rechtskonform ausübt.

 Berlin, 13.03.2023

Dringlichkeitsvergaben ermöglichen öffentlichen Auftraggebern kurzfristig eine schnelle, rechtssichere und wirtschaftliche Beschaffung. Insbesondere in Krisenzeiten (z.B. COVID 19-Pandemie, Ukraine-Krieg) bieten die Ausnahmevorschriften zur Dringlichkeitsvergabe einen hilfreichen Lösungsansatz zur Verfahrenserleichterung. Auch die Aufhebung eines Vergabeverfahrens durch eine Vergabekammer kann eine Interimsvergabe in Form einer Dringlichkeitsvergabe erforderlich machen. Um auch hier die wettbewerblichen Grundsätze des Vergabeverfahrens zu berücksichtigen, sind derartige Vergaben nur in sehr engen, vom Gesetz definierten Grenzen möglich. Dies veranschaulicht eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt a.M.

 Berlin, 08.03.2023

In nahezu allen Nachprüfungsverfahren stellt sich die Frage, in welchem Umfang dem Beschwerdeführer Einblick in die Angebotsinhalte der weiteren Bieter zu gewähren ist. Der EuGH hat jetzt in einer aktuellen Entscheidung betont, dass es einer umfassenden Abwägung der Erfordernisse der Transparenz und des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen den Schutz der Vertraulichkeit von schützenswerten Informationen bedarf. Außerdem hat er sehr praxisrelevante Hinweise gegeben, wie in Einzelfällen – etwa durch teilweise geschwärzte Informationen – jedenfalls Zugang zum wesentlichen Inhalt von Informationen gewährt werden kann.

 Berlin, 06.03.2023

In unserem Beitrag vom 07.12.2022 (Rubrik: GGSC/ Vergaberecht) hatten wir von einer Entscheidung der VK Bund zum Thema Preisanpassungsmöglichkeiten aufgrund der Ukraine-Krise berichtet (Beschluss vom 19.10.2022, Az. VK 1 85/22). Die VK Bund hatte entschieden, dass Preisanpassungsklauseln bei Liefervergaben nicht zwingend in den Vergabeunterlagen vorgesehen sein müssen. Mittlerweile wurde die Entscheidung veröffentlicht, sodass wir Ihnen nähere Auskunft zu den Entscheidungsgründen geben können.

 Berlin, 01.03.2023

Aufgrund der großen Nachfrage hat die Europäische Kommission einer Verlängerung der Richtlinie über die Förderung von Nutzfahrzeugen mit alternativen, klimaschonenden Antrieben und dazugehöriger Tank- und Ladeinfrastruktur (KsNI-Richtlinie) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) zugestimmt. Damit endet die Laufzeit des Förderprogramms nicht bereits zum 31.12.2024, sondern erst zum Ende des Jahres 2026. Auch die Gesamtmittelausstattung sowie der bewilligungsfähige Höchstbetrag pro Antragsteller werden erhöht.

 Berlin, 27.02.2023

Die Abfrage beim digitalen Wettbewerbsregister ist seit Mitte letzten Jahres für viele Vergabeverfahren zum verpflichtenden Bestandteil geworden. Der Präsident des Bundeskartellamts Andreas Mundt begrüßte die Einführung als „wirkungsvolles Abschreckungsinstrument gegen Wirtschaftsdelikte“. In puncto Umfang wird sich das Wettbewerbsregister in der kommenden Zeit wohl stetig ausdehnen, es werden bis zu 600.000 Abfragen jährlich erwartet. Diese kommen zu einem großen Teil von öffentlichen Auftraggebern. Aber auch Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber können zur Abfrage verpflichtet sein.

 Berlin, 20.02.2023

Die Öffnung von Angeboten muss nach § 55 Absatz 2 Satz 1 VgV gemeinsam von mindestens zwei Vertreter:innen des öffentlichen Auftraggebers durchgeführt werden. Die Vergabekammer Südbayern hatte bisher die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei um eine „ureigene Aufgabe“ des Auftraggebers handelt, die nicht delegiert werden kann. Dies wurde nunmehr für den Fall der Durchführung einer e-Vergabe aufgegeben.

 Berlin, 18.01.2023

Nicht selten bedienen sich im Fall eines Nachprüfungsverfahrens auch die Vergabestellen einer anwaltlichen Vertretung. Diesbezügliche Kosten sind bei Obsiegen der Vergabestelle vom Antragssteller zu tragen, wenn die Hinzuziehung der anwaltlichen Vertretung von der Vergabekammer „für notwendig“ erklärt wurde. Auch wenn diese Notwendigkeit häufig schon wegen der Schwierigkeiten der relevanten Fragen sowie der wirtschaftlichen Bedeutung eines Auftrages begründet ist, wird sie gelegentlich von Antragstellern (zur Ersparnis von Kosten) in Frage gestellt. Gute Argumentationshilfe bietet für solche Fälle ein aktueller Beschluss des BayObLG (Verg 1/22) aus einem von [GGSC] betreuten Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren.

 Berlin, 09.01.2023

Öffentliche Auftraggeber müssen sich langsam von den Standardformularen zur Bekanntmachung von öffentlichen Aufträgen auf der TED-Ausschreibungsbank verabschieden. Seit dem 14. November 2022 können öffentliche Auftraggeber für europäische Auftrags- und Vergabebekanntmachungen auf sog. eForms zurückzugreifen, ab 25. Oktober 2023 ist die Anwendung dann verpflichtend.

 Berlin, 19.12.2022

In unserem Beitrag vom 02.11.2022 (Rubrik: GGSC/Vergaberecht) hatten wir zu etwaigen Erfordernissen, wegen der Ukraine-Krise Preisanpassungen in Bauvergaben vorzusehen, berichtet. Eine aktuelle Entscheidung der VK Bund geht für Liefervergaben offenbar andere Wege: Dort wurde die Einfügung von Preisanpassungsmöglichkeiten in die Unterlagen nicht für zwingend gehalten (Beschluss vom 19.10.2022, Az. VK 1 85/22). Konkret ging es um den Abschluss einer Rahmenvereinbarung für die Lieferung von Klebebändern. Eine Veröffentlichung der Entscheidung steht noch aus. 

 Berlin, 07.12.2022

Die Privilegierung von gemeinnützigen Organisationen bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen beschäftigt in regelmäßigen Abständen Vergabekammern und Gerichte. Nach europäischem Recht können Rettungsdienstleistungen ausschließlich an gemeinnützige Organisationen vergeben werden; zudem ist das strenge europäische Vergaberecht nicht anzuwenden (Art. 10 h Richtlinie 2014/24/EU). Im deutschen Recht ist diese Bereichsausnahme in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB geregelt. Hintergrund der Befreiung vom Vergaberecht ist, dass der spezielle Charakter von gemeinnützigen Organisationen, die einen wichtigen Bestandteil des öffentlichen Katastrophen- und des Zivilschutzes ausmachen, bewahrt werden soll. Diese wäre im freien Wettbewerb mit privaten Anbietern kaum möglich. 

 Berlin, 14.11.2022

Die Prüfung der Auskömmlichkeit bleibt eine Stolperfalle für Auftraggeber. Aktuelle Entscheidungen verdeutlichen einmal mehr: Es kann ein „Zuwenig“, aber auch ein „Zuviel“ der Prüfung geben…

 Berlin, 09.11.2022

Die fehlende Vorgabe von Stoffpreisgleitklausen kann in aktuellen Bauvergaben zur gegen § 7 EU VOB/A verstoßenden Überbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses auf die Bieter führen. Schlimmstenfalls kann ein solches Defizit die Zurückversetzung der Vergabe vor Versand der Unterlagen zur Folge haben. Auch für die Auskömmlichkeitsprüfung in diesen Zeiten sind besondere Vorgaben zu berücksichtigen. Darauf weist die Vergabekammer Westfalen in einer aktuellen Entscheidung vom 12.07.2022 (VK 3-24/22) hin. 

 Berlin, 02.11.2022

Für die Vergabestelle kann es bei komplexen Ausschreibungen eine deutliche Verfahrenserleichterung bedeuten, wenn sich ein Verhandlungsverfahren rechtfertigen lässt. Sowohl VgV als auch EU VOB/A stellen hieran hohe Anforderungen. Aber selbst wenn diese überwunden werden können, ist bei der Durchführung von Verhandlungsverfahren Vorsicht geboten. An einigen Stellen lauern Fallstricke. Auf einige sei nachfolgend kurz hingewiesen. 

 Berlin, 26.10.2022

Zum 01.01.2023 tritt das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft und schreibt erstmals Pflichten zur Kontrolle und Einhaltung menschen- und umweltrechtlicher Standards entlang der Lieferkette fest. Neben den unternehmerischen Sorgfaltspflichten ergeben sich auch konkrete Auswirkungen auf das Vergaberecht. Gerade öffentliche Auftraggeber sind daher gut beraten, sich hinsichtlich der neuen Vorgaben und Regelungsmechanismen zu informieren.

 Berlin, 24.10.2022

Das Vergaberecht soll der öffentlichen Hand eine wirtschaftliche Beschaffung von benötigten Gütern und Dienstleistungen ermöglichen. „Wirtschaftlichkeit“ meint das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“. Der Auftraggeber kann Angebote in Vergabeverfahren also auch anhand qualitativer Kriterien bewerten und z.B. von Bietern verlangen, dass sie mit dem Angebot Konzepte zur geplanten Leistungserbringung vorlegen.

 Berlin, 08.08.2022

Auch Unterkriterien und ihre Gewichtung sind aus Gründen der Transparenz bekanntzugeben. Die Veröffentlichung der Bewertungsmethode wird dagegen grundsätzlich nicht für erforderlich gehalten (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 12.04.2022, 11 Verg 11/21). Sie kann auch später festgelegt werden, wenn sie die Zuschlagskriterien nicht ändert, nichts enthält, was die Angebotslegung hätte beeinflussen können und keine Diskriminierung zu besorgen ist. Insoweit hat das OLG an die Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeknüpft.

 Berlin, 25.07.2022