Autoindustrie fordert Verkaufsstopp für Benzin und Diesel ab 2045

Die deutsche Autolobby setzt der Ölbranche eine Deadline: Schon in gut 20 Jahren soll Schluss sein mit fossilen Treibstoffen. Der Vorschlag wirkt überraschend. Doch dahinter steckt Kalkül.


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Der Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht sich für einen kompletten Ausstieg aus Benzin und Diesel aus. »Im Sinne des Klimaschutzes sollten ab 2045 keine fossilen Kraftstoffe mehr an deutschen Tankstellen verkauft werden dürfen«, heißt es in einem an diesem Mittwoch veröffentlichten Positionspapier. Im Gegensatz zu den CO₂-Flottenzielen für Neuwagen , die einen Umstieg auf emissionsfreie Antriebe in den kommenden zehn Jahren vorsehen, seien die Vorgaben für bereits verkaufte Verbrennerfahrzeuge »bislang nicht ambitioniert genug«.

Der Wechsel zur Elektromobilität werde helfen, erhebliche Mengen klimaschädlicher Treibhausgasemissionen einzusparen, betonte Verbandspräsidentin Hildegard Müller. Dies allein reiche jedoch nicht, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen – ein Problem für die Autoindustrie, weil sie radikale Maßnahmen wie Fahrverbote fürchtet, die auch ihr Neugeschäft stören würden. »Selbst wenn das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen E-Autos bis 2030 erfüllt wird, fahren dann immer noch mindestens 40 Millionen Pkw und Lkw mit Verbrennungsmotoren auf deutschen Straßen«, erklärte Müller. Die müssten weiterhin Treibstoffe auf Erdölbasis tanken, wenn nicht ausreichend Alternativen produziert würden – wofür jedoch die Anreize fehlten.

Ändern könnte das dem VDA zufolge die neue europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III), die seit November 2023 in Kraft ist. Darin setzt die Europäische Union Ziele für den Wechsel von Energieträgern wie Strom, Gas oder Treibstoffen auf erneuerbare Quellen. Die Mitgliedstaaten haben jedoch einigen Spielraum, wie sie den Übergang gestalten. Bis zum kommenden Mai muss das neue Regelwerk auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Geht es nach der Autolobby, sollten im Bundesimmissionsschutzgesetz die bestehenden Vorgaben an Ölhändler und Tankstellenbetreiber zur Treibhausgasminderung drastisch verschärft werden.

Eine Chance für E-Fuels

Für das Jahr 2030 fordert der Verband eine Minderung der CO₂-Intensität im Kraftstoffsektor um 35 statt der bisher vorgesehenen 25 Prozent gegenüber rein fossilem Sprit. Zugleich solle dafür gesorgt werden, dass diese Quote »real« und nicht bloß virtuell zu einer Senkung der Emissionen beitrage. Zwar dürften die Spritanbieter sich auch weiterhin den Handel mit Ladestrom für E-Fahrzeuge als Beitrag anrechnen lassen – aber nicht mehr in dreifacher Höhe der gesparten Emissionen. Dann, so hofft der VDA, hätten auch sogenannte fortschrittliche Biokraftstoffe und synthetische Kraftstoffe wie Wasserstoff oder strombasierte Kraftstoffe (E-Fuels) eine Chance. Wer Wasserstoff anbietet, soll sich die CO₂-Einsparung ausnahmsweise weiterhin mehrfach anrechnen lassen dürfen, um einen »Hochlauf« der bisher kaum gefragten Technik  zu ermöglichen.

Alternative Kraftstoffe sind aus verschiedenen Gründen umstritten . Bei den bereits genutzten konventionellen Biokraftstoffen monieren Umweltverbände eine Konkurrenz mit dem Anbau von Nahrungs- und Futterpflanzen oder Naturflächen wie etwa tropischem Regenwald im Fall von Palmöl. Sie sollen daher auf Dauer durch »fortschrittliche« Alternativen auf Abfallbasis, aus ressourcensparenden Methoden wie Algenzucht oder auch durch synthetische Produkte wie E-Fuels  ersetzt werden. Solche Ersatzstoffe sind teurer als die herkömmlichen fossilen Treibstoffe oder Strom für rein batterieelektrische Autos. Solange Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch das Straßenbild bestimmen, sind nach gängigen Klimaschutzszenarien alternative Treibstoffe aber nötig. Einige davon lassen sich in beliebigem Verhältnis dem traditionellen Sprit beimischen. Laut dem VDA sei staatliche Förderung etwa über die Energiesteuer nötig, damit überhaupt jemand den Benzinersatz industriell herstellen möge.

Der VDA legt Wert darauf, dass die neue Regelung im Gegensatz zur alten über das Jahr 2030 hinausreichen müsse. So wie für die Schiff- und Luftfahrt bereits festgeschrieben, sei eine langfristige Perspektive mit Mindestquoten für neuartige Ökotreibstoffe auch im Straßenverkehr nötig. Da Deutschland gesetzlich bis 2045 klimaneutral werden muss, solle dann auch für die Kraftstoffe gelten: Treibhausgasminderungsquote 100 Prozent. Fossilen Sprit zu tanken, wäre danach ausgeschlossen.

 

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