Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017

Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017
Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017

CAM: Die Anzahl der zurückgerufenen Fahrzeuge liegt im Referenzmarkt USA bei 25,4 Mio., wodurch die Rückrufquote in 2017 bei 147 Prozent liegt

BMW, Mazda, Mitsubishi und Hyundai sind in 2017 am stärksten betroffen.


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Die steigende globale Sensibilität für Qualitätsmängel, hohe Rückrufrisiken u.a. aufgrund neuer Anforderungen erfordern strukturelle Anpassungen im Qualitätsmanagement der Automobilher-steller und der Kontrollbehörden.

Rückruf-Trends der Automobilhersteller im Vergleich

Die Rückrufe der Hersteller bleiben auf sehr hohem Niveau. Nach Berechnungen des Center of Auto-motive Management (CAM) in Bergisch Gladbach wurden 2017 auf dem Referenzmarkt USA über 25,5 Mio. Pkw (inkl. LCV) wegen Sicherheitsproblemen zurückgerufen. Aufgrund der Negativrekordwerte der Vorjahre haben sich damit die Rückrufmengen deutlich reduziert (2016: 51,1 Mio.). Die letzten fünf Jahre stellen mit über 205 Mio.(!) zurückgerufenen Fahrzeugen allein in den USA mit weiten Abstand die Periode dar mit den höchsten Rückrufmengen der Autoindustrie überhaupt.

Die Rückrufquote, die die Zahl der zurückgerufenen Fahrzeuge an den Neuzulassungen des Jahres aus-drückt, erreicht 147 Prozent in 2017 (2016: 291%). Damit wurden im vergangenen Jahr nahezu einein-halb mehr Fahrzeuge in die Werkstätten beordert als im gleichen Zeitraum im US-Markt verkauft wur-den. Ein Anteil von 31 Prozent der Rückrufe (7,9 Mio.) entfallen dabei weiterhin auf fehlerhafte Air-bags. Der Skandal des japanischen Airbagherstellers Takata hatte 2014 maßgeblich zu den höchsten Rückrufzahlen seit Beginn der Aufzeichnung geführt. Die Rückrufquote lag bereits in acht der letzten 10 Jahre über 100 Prozent, was den Negativtrend beleuchtet. Ein Großteil der betroffenen zurückge-rufenen Modelle bezieht sich entsprechend auf weiter zurückliegende Baujahre. (vgl. Abb. 1)

Nach Herstellern weisen die höchsten sicherheitstechnischen Rückrufquoten BMW (588%), Mazda (407%), Mitsubishi (405%) sowie Hyundai/Kia (324%) auf (vgl. Abb. 2). Bei der Rückrufmenge belegen FCA (Fiat Chrysler Automobiles), Hyundai und Honda die Negativ-Spitzenplätze, die zwischen 4,87 und 3,02 Mio. Pkw. in die Werkstäten beordern müssen.

  • Die Rückrufquote von BMW steigt von 320 auf 588 Prozent an. Der größte Rückruf bei BMW (740.561 Fahrzeuge) bezieht sich auf einen Defekt in der Kurbelgehäuseentlüftung, gefolgt von einer defekten Verkabelung im Heiz- und Klimasystem (702.965 Fahrzeuge).
  • Bei Mazda kann Feuchtigkeit in das Airbagmodul eindringen und dessen Funktion beeinträchtigen. Aus diesem Grund müssen knapp 309.000 Fahrzeuge zurückgerufen werden. Die Rückrufquote liegt bei 407 Prozent.
  • Bei Mitsubishi liegt die Rückrufquote mit 405 Prozent auf einem ähnlichen Niveau wie bei Mazda. Bei Mitsubishi sorgt ein defektes Relais für Motoraussetzer, reduzierte Leistung und Überhitzung des Motors, wodurch 132.552 Fahrzeuge betroffen sind.
  • Hyundai/Kia weist einen enormen Anstieg der Rückrufquote von 71 Prozent in 2016 auf nun 324 Prozent auf. Grund dafür ist unter anderem der Rückruf von knapp einer Millionen Fahrzeugen aufgrund einer mangelhaften Verankerung für den Sicherheitsgurt. Aktuell müssen Hyundai/Kia wegen Airbagversagens wiederum mehrere Hundertausende Fahrzeuge im US-Markt zurückrufen.
  • Die deutschen Hersteller VW und Daimler liegen mit Rückrufquoten von 294 bzw. 287 Prozent im oberen Mittelfeld. Bei VW beziehen sich die größten Rückrufe auf Probleme bei der Motorkühlung (324.867 Fahrzeuge) und der Benzinpumpe (521.402). Bei Daimler entfällt knapp die Hälfte der Rückrufe auf einen fehlerhaften Frontairbag.
  • FCA weist eine im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunkene Rückrufquote von 235 Prozent auf. Den-noch mussten 4,8 Mio. Fahrzeuge zurückgerufen werden, da sich u.a. bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe der Wahlhebel aus der Park-Position bewegen ließ, obwohl die Bremse nicht getreten war.
  • Bei Hondas liegt die Rückrufquote bei 184 Prozent und damit knapp über dem Durchschnitt. Un-dichtigkeiten im Batteriegehäuse, die zu einem Kurzschluss führen könnten und Airbagprobleme sind jeweils zu einem Drittel für die Rückrufe verantwortlich.
  • Der amerikanische Hersteller Ford muss 2,96 Mio. Fahrzeuge zurück in die Werkstatt rufen und hat so eine Rückrufquote von 115 Prozent. Bei GM sind es lediglich 0,95 Mio. Fahrzeuge. Somit liegt die Rückrufquote nur 32 Prozent. Auf eine geringere Quote kommt im Ranking nur der schwe-dische Hersteller Volvo mit 15 Prozent.
  • Die anderen japanischen Hersteller Nissan (73%), Toyota (53%) und Subaru (40%) können eine sin-kende Rückrufquote vorweisen. Sie waren zuvor besonders von Airbagproblemen des Zulieferers Takata massiv betroffen. Bei Subaru entfallen 72 Prozent der Rückrufe (185.773 Fahrzeuge) wei-terhin auf defekte Airbags.
  • Tesla hat eine Rückrufquote von 71 Prozent und muss insgesamt 39.051 Fahrzeuge nachbessern. Über 31.000 Model S und X verfügen über fehlerhafte elektronische Parkbremsen.

Mängel nach Baugruppen

Mehr als 44 Prozent der sicherheitsrelevanten Produktmängel am Fahrzeug betrafen 2017 wiederum den Insassenschutz (Abb. 3). Dafür verantwortlich waren jedoch nicht nur defekte Airbags des japani-schen Zulieferers Takata. Vielmehr löste dieser Skandal eine Art Dominoeffekt aus, der zu einer grund-sätzlichen Überprüfung der Insassenschutzeinrichtungen führte, die weitere Mängel zum Vorschein brachte. Teilweise waren auch die Austauschairbags fehlerhaft und mussten erneut zurückgerufen werden. Mit 23,3 Prozent konnten die Mängel dem Antriebsstrang/Motor zugeordnet werden. Auf Qualitätsmängel der Elektrik/Elektronik entfielen 14,1 Prozent der Rückrufe, während 6,5 Prozent der Bremsanlage, 4,6 Prozent der Lenkanlage, 0,6 Prozent der Karosserie, 0,2 Prozent dem Fahrwerk sowie 6,5 Prozent sonstigen Baugruppen zugeordnet werden konnten.

Gründe für Qualitätsprobleme und Folgerungen

Das Jahr 2017 belegt, trotz geringerer Rückrufquoten als in den vergangenen drei Jahren, dass das Thema Produktqualität ein zentrales Thema in der Automobilindustrie bleibt. Hierzu Studienleiter Ste-fan Bratzel: "Wenn 9 von 16 untersuchten Herstellern in 2017 wegen sicherheitstechnischer Mängel mehr Fahrzeuge zurückrufen müssen als diese im gleichen Zeitraum verkauft haben, ist das insgesamt ein bedenkliches Qualitätsniveau der Branche." Außerdem stellen sicherheitsrelevante Mängel meist nur die "Spitze des Eisbergs" dar. Hinzu kommt eine große Anzahl stiller Rückrufe oder auch Service-aktionen, die in den offiziellen Zahlen nicht enthalten sind.

Wachsende Rückrufrisiken und steigende globale Sensibilität für Qualitätsmängel erfordern einen Pa-radigmenwechsel im Qualitätsmanagement der Automobilhersteller. Das Risiko großer Rückrufaktio-nen ist durch marken- und modellübergreifende Plattform- und Gleichteilestrategien sowie globale Produktionsnetzwerke erheblich gestiegen. Gleichzeitig werden sicherheitsrelevante Mängel an Fahr-zeugen in den wichtigen Automobilmärkten immer weniger akzeptiert, gerade auch weil Kunden über länderübergreifende Internet-Blogs und Newsgroups sehr gut informiert sind. Sicherheitsrelevante Mängel können zu Todesfällen und Verletzungen der Autofahrer führen und darüber hinaus den Her-stellern Imageverluste und hohe Kosten verursachen. Aktuell klagt die US-Verkehrsicherheitsbehörde NHTSA Hyundai/Kia wegen möglicher Todesfälle eines Airbagversagens an. Allein die Kosten für diesen Rückruf von 425.000 Fahrzeugen beziffert das Unternehmen auf 575 Mio. US-Dollar.

Das Qualitätsmanagement vieler Automobilhersteller trägt vielfach noch nicht den neuen globalen Produktsicherheitsanforderungen Rechnung. Manche Hersteller und Zulieferer betreiben zur kurzfris-tigen Gewinnmaximierung eher reaktive Qualitätsmanagementsysteme mit nachsorgender Mängelbe-seitigung, teilweise unter billigender Inkaufnahme von Unfällen wie im Fall von Takata. Vor dem Hin-tergrund veränderter Entwicklungs- und Produktionsbedingungen und neuen Technologien und Funk-tionen im Fahrzeug sind jedoch proaktive und vorsorgende Produktqualitätsstrategien notwendig, bei denen umfassende und langfristige Kosten-/ Nutzenbetrachtungen im Mittelpunkt stehen müssen.

Studienleiter Stefan Bratzel: „Das Qualitätsmanagement der Hersteller muss vor dem Hintergrund neuer technischer Anforderungen sowie einer wachsenden Sensibilität der Öffentlichkeit eine deutlich höhere Relevanz in Automobilunternehmen erlangen. So entsteht etwa künftig neuer Kundennutzen durch Elektromobilität, Vernetzung und (teil-)autonome Fahrfunktionen. Aber es steigen dadurch auch in erheblichem Maße die Risiken. Die Cyber-Security von Fahrzeugen wird zum großen Sicherheits- und Qualitätsthema der Branche aufsteigen, das wesentlich über die Akzeptanz von neuen Wachstumsfel-dern der Automobilindustrie entscheidet.“

Vor diesem Hintergrund müssen künftig auch Behörden wie das Kraftfahrtbundesamt in Deutschland komplexere Kontrollaufgaben übernehmen und Verbraucher und Öffentlichkeit transparent informie-ren. Hier besteht noch Handlungsbedarf.

Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017 - Anhang 1
Center of Automotive Management GmbH & Co. KG
Die Rückruf-Trends der globalen Automobilhersteller im Jahr 2017
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