Elektromobilität im internationalen Vergleich

Absatz von Elektrofahrzeugen in den Monaten Januar bis November 2016

Anstieg der Marktanteile von E-Fahrzeugen in 2016 noch gering
Prognose erwartet steilen Anstieg der E-Mobilität erst in den 2020er Jahren
Deutsche Hersteller können Technologie- und Marktführerschaft bei E-Mobilität zurückgewinnen


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E-Mobilität: Absatztrends in wichtigen globalen Märkten

Realität und Zukunftserwartungen sind im Bereich Elektromobilität noch stark divergierend. So zeigen die aktuellen Absatztrends von Elektrofahrzeugen (BEV, PHEV) in den globalen Märkten mit wenigen Ausnahmen derzeit noch ein geringes Interesse an der E-Mobilität. Allerdings ist aufgrund technologischer Innovationen und veränderter politischer Rahmenbedingungen ab den 2020er Jahren mit einem rasanten weltweiten Wachstum der E-Mobilität zu rechnen, was zu einer paradigmatischen Veränderung der Wertschöpfungsstrukturen und der Kräfteverhältnisse in der Branche führen kann.

Das ist das Ergebnis einer Studie des Center of Automotive Management (CAM), die die aktuellen Markttrends sowie die Produktstrategien der globalen Automobilhersteller analysiert hat. Danach wird die Elektromobilität derzeit vor allem vom chinesischen Markt getrieben, während das Wachstum in anderen Märkten nur langsam voranschreitet. In den ersten elf Monaten des Jahres 2016 wurden in China mehr als 370.000 E-Autos (New Energy Vehicles (NEV), inkl. Pkw, Busse etc.) abgesetzt, wodurch sich die E-Fahrzeugverkäufe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelten (+96%) und der Marktanteil von 1,0 auf 1,7% an den Neuzulassungen anstieg. China wird im Gesamtjahr mit rund 400.000 Einheiten absetzen, was rund die Hälfte des globalen Elektroautomarktes darstellt.

In den USA sind die Neuzulassungen von Elektroautos im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2015 um 33 Prozent gestiegen. Mehr als 133.000 E-Fahrzeuge wurden hier zwischen Januar und November 2016 verkauft, wobei rund 71.000 batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) abgesetzt werden konnten (+13%). Marktführer ist Tesla, auf deren Modelle S und X mehr als die Hälfte der Verkäufe entfallen, gefolgt von Nissan Leaf und BMW i3. Im Vergleich zum Vorjahr legen die Plug-in Hybride deutlich mehr zu (+67%), vor allem aufgrund von Zuwächsen des Chevrolet Volt und des Ford Fusion Energi.

In Europa setzt Norwegen seine Sonderrolle fort und kommt bis Ende November 2016 auf mehr als 41.000 Elektrofahrzeuge (+39%, inkl. Brennstoffzelle). Großbritannien legt wie schon im Vorjahr ebenfalls deutlich zu und setzt im gleichen Zeitraum rund 34.000 E-Fahrzeuge ab, etwa ein Drittel mehr als im Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Auch hier sorgt vor allem der hohe Anteil neuzugelassener Plug-in Hybride (+45%) für das große Wachstum. In Frankreich erhöhen sich ebenfalls die E-Auto Neuzulassungen signifikant auf 25.617 (+29%). Dabei machen BEVs 74 Prozent der Elektroautoverkäufe aus, während auf Plug-in Hybride 26 Prozent entfallen. Das Dieselland Frankreich zeigt auch einen starken Rückgang der Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen auf 52 Prozent in den ersten 11 Monaten des Jahres 2016 (2015: 57,5%). Aufgrund der hohen Luftbelastung wird in Paris in den letzten Monaten heftig über Pläne zu Einfahrverboten von Dieselfahrzeugen diskutiert, wodurch die Verunsicherung bei Autokäufern steigt.

In Deutschland ist die bisherige E-Auto Bilanz des Jahres 2016 sehr ernüchternd: In den betrachteten elf Monaten steht trotz Förderprämie hier nur ein mageres Plus von 10 Prozent auf 22.339 Elektrofahrzeugen. Dabei legen nur die Plug-in Hybride auf rund 12.263 Fahrzeuge zu (+25%), während mit 10.076 Neuzulassungen die reinen Elektrofahrzeuge (BEV) sogar zum Vorjahreszeitraum einen rückläufigen Trend aufweisen (-3,5%). Daran können auch die Anträge auf Förderprämie nichts ändern: Von Juli bis Dezember wurden nur 7.370 Anträge gestellt, wobei 57% der Anträge auf reine Elektrofahrzeuge entfallen. Unter den BEV sind dabei der Renault Zoe mit 1.294 und der BMW i3 mit 1.281 Anträgen noch am stärksten nachgefragt. Da Tesla den Basispreis für das Model S auf unter 60.000 Euro abgesenkt hat, um sich für die Prämie zu qualifizieren, ist nun auch Tesla mit 25 Fahrzeugen in der Antragsliste vertreten.

Bei der Entwicklung der Marktanteile von Elektroautos macht im Vergleich der wichtigen Auto-Flächenländer vor allem China einen relativ großen Sprung auf 1,7 Prozent an den Neuzulassungen (Fahrzeuge, inkl. Busse). Die Marktanteile in Frankreich (1,4%) und Großbritannien (1,3%) sind nur leicht gestiegen. Sehr niedrig bleiben die E-Auto Marktanteile in den USA, die jetzt bei 0,8 Prozent liegen. In Deutschland stagniert der Marktanteil sogar bei 0,7 Prozent an den Neuzulassungen (vgl. Abbildung 2). Eine Sonderrolle nimmt Norwegen ein, das als kleines Autoland mit sehr hohen direkten und indirekten Förderkulissen einen Neuzulassungsanteil von fast 30 Prozent bei Elektrofahrzeugen erreicht. In den Niederlanden liegt die E-Autoquote nach 11 Monaten immerhin bei 3,4 Prozent.

Entwicklungstrends der E-Mobilität bis 2030

Die derzeit vergleichsweise geringen Marktanteile dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein massiver Umbruch der Antriebstechnologien bevorsteht. Auf Basis einer aktuellen Szenarioanalyse rechnet das CAM aufgrund der Produktanstrengungen der Hersteller und des zu erwartenden regulatorischen Umfelds mit einer deutlichen Steigerung der Marktdynamik für die nächsten 10-15 Jahre.

Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „Das Jahr 2016 markiert den mentalen ‚Tipping Point‘ für die Durchsetzung der E-Mobilität. Ein Amalgam aus Abgasskandal, nationalen und lokalen Umweltzielen und elektromobilitätsfreundlichen Regulationsinitiativen insbesondere in China hat eine enorme Eigendynamik ausgelöst, die die Strategien der Automobilhersteller massiv beeinflusst.“

Auf Basis der CAM-Szenarien werden die globalen Neuzulassungen von E-Autos bis zum Jahr 2020 nur moderat ansteigen und sich zwischen 2,5 Prozent (konservativ) und 6 Prozent (optimistisch) bewegen. Danach ist jedoch befeuert von einer breiten Produktoffensive globaler Hersteller von einem massiven Wachstum des E-Mobilitätsmarktes auszugehen. Im Jahr 2025 wird im optimistischen Szenario mit rund 25 Prozent bzw. 25 Millionen jährlich neu zugelassenen Elektro-Pkw gerechnet (konservativ: 12%). Diese könnten danach bis zum Jahr 2030 auf 40 Prozent bzw. rund 40 Mio. elektrisch angetriebener Pkw steigen (konservativ: 25%) (vgl. Abb. 3).

Ausschlaggebend für die Trendkurven sind Annahmen zu den Entwicklungen im politisch-regulativen Umfeld sowie im Hinblick auf die komparativen Wettbewerbsvorteile der Elektromobilität im Vergleich zum Verbrennungsmotor. Es wird insbesondere davon ausgegangen, dass sich die Herstellkosten für Benzin- und Dieselfahrzeuge im Zuge sich verschärfender Umweltregularien in den nächsten Jahren signifikant verteuern werden. Gleichzeitig werden die Kosten für (reine) Elektrofahrzeuge vor allem durch günstigere Batteriezellkosten pro kWh deutlich sinken und technologische Innovationen insbesondere im Hinblick auf Reichweite und Ladedauer den Kundennutzen erhöhen. Voraussetzung der Szenarien ist auch eine entsprechende Dichte von (Schnell-)Ladeinfrastrukturen in den Kernmärkten China, Europa und USA.

Innovationsstärke von Automobilherstellern im Vergleich

Der Vergleich der Innovationsstärke der 20 globalen Automobilhersteller (Konzerne) in den letzten fünf Jahren ergibt ein uneinheitliches Bild. Bei den reinen Elektrofahrzeugen in Serie weisen Tesla und Renault die höchste Innovationsstärke auf gefolgt vom Volkswagen, General Motors sowie Daimler, Nissan und BMW (vgl. Abb. 4). Die größten Verbesserungen im aktuellen Jahr zeigen bislang Tesla (Reichweitenerhöhung seiner Modelle), Renault (Zoe, NEFZ Reichweite 400 km) und vor allem General Motors (Chevrolet Bolt; in Europa: Opel Ampera-e, Reichweite 500 km). Im Bereich der reinen E-Mobilität müssen zudem auch chinesische Automobilhersteller, wie BYD, als wichtige Wettbewerber hinzugerechnet werden.

Bei den Plug-in Hybriden bleiben die deutschen Automobilhersteller Volkswagen (inkl. VW, Audi, Porsche), BMW und Daimler dagegen unangefochten Innovationsführer. In 2016 konnten insbesondere BMW mit neuen PHEV-Fahrzeugen in unterschiedlichen Segmenten sowie Audi/Porsche, Mercedes und Toyota mit serienreifen Neuerungen überzeugen (vgl. Abb. 5).
Eine Auswertung der voraussichtlichen E-Mobilitäts-Roadmaps von wichtigen Herstellern zeigt eine erhebliche Produktdynamik in den nächsten 5 Jahren. Auch Automobilhersteller wie Toyota, die bislang dem reinen Elektroauto skeptisch gegenüberstanden, haben einen Strategiewechsel eingeleitet und arbeiten jetzt intensiv am BEV-Modellen. Dabei ist künftig eine starke Ausdifferenzierung der batterieelektrischen Antriebe in den wichtigen Fahrzeugsegmenten zu erwarten. Dies schließt eine Elektrifizierung der volumenstarken Segmente, wie unterer Mittelklasse/ Mittelklasse, als auch der SUV-Segmente ein. Gleichzeitig ist mit der E-Mobilität die Markteintrittsschwelle gesunken, wodurch neue Wettbewerber Einzug in die automobile Arena erhalten können.

Insbesondere die deutschen Automobilhersteller haben kürzlich eine weitgehende Änderung der Produktstrategien zur Elektromobilität eingeleitet. Statt einer ressourcenintensiven Parallelität bei der Entwicklung unterschiedlicher alternativer Antriebskonzepte findet nunmehr eine deutlich stärkere Fokussierung auf die reine E-Mobilität statt. Gleichzeitig wurde erkannt, dass der Systemgedanke von Reichweite und (Schnell-)Ladeinfrastruktur bei der E-Mobilität eine wichtige Erfolgsvoraussetzung darstellt. Die gemeinsame Übernahme der Verantwortung für den Aufbau einer Schnellladeinfrastruktur in Europa durch die deutschen Hersteller gemeinsam mit Ford ist ferner ein wichtiger Meilenstein für einen erfolgreichen Markthochlauf.

Hierzu Studienleiter Stefan Bratzel: „Der paradigmatische Wandel zur E-Mobilität wird sich zu einem intensiven Langstreckenrennen entwickeln, bei dem sich etablierte und neue Automobilhersteller in den nächsten 10-15 Jahren einen harten Wettbewerb liefern werden. Nicht alle Hersteller werden diesen Wandel überleben. Wichtige Erfolgs- und Überlebensparameter werden jedoch Innovation, Qualität und Kostenstrukturen der E-Fahrzeuge sowie die damit verbundenen Mobilitätsdienstleistungen sein. Die deutschen Hersteller haben durch den Strategiewandel grundsätzlich die Chance, die Technologie- und Marktführerschaft auch im Zeitalter der E-Mobilität zu erlangen. Notwendig ist jedoch eine konsequente Umsetzung der Strategien in den jeweiligen Märkten. Dazu müssen die Hersteller organisatorisch, kulturell und im Hinblick auf erforderliche Kompetenzen zu anderen Unternehmen werden.“

 

Center of Automotive Management