40 Jahre Natur- und Artenschutz: Naturschutzgebiete

„Enzaue bei Roßwag und Burghalde“ und „Roter Rain und Umgebung“ feiern Geburtstag (Kreis Ludwigsburg)

Regierungspräsidentin Susanne Bay: „Naturschutzgebiete sicheren eine reiche Pflanzen- und Tierwelt und sind gleichzeitig attraktive Erholungslandschaften“


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40 Jahre sind vergangen, seit das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) die „Enzaue bei Roßwag und Burghalde“ sowie den benachbarten Steilhang „Roter Rain“ zum Naturschutzgebieten erklärt hat.

Regierungspräsidentin Susanne Bay freut sich über den runden Geburtstag: „Die weite Enzschlinge bei Vaihingen-Roßwag und der dazu im Kontrast stehende Rote Rain sind eine einzigartige Landschaft und ein herausragender Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Die beiden Naturschutzgebiete beherbergen viele Vogel-, Amphibien- und Wildbienenarten, die auf dieses Umfeld angewiesen sind. Seit Jahrzehnten arbeitet daher das Regierungspräsidium Stuttgart zusammen mit dem Landratsamt Ludwigsburg, der Stadt Vaihingen an der Enz, dem Heimatverein Backhäusle und den Naturschutzverbänden daran, die Qualität der Naturschutzgebiete zu sichern und sie sachgerecht zu pflegen. Ich danke allen Beteiligten für die gute und zuverlässige Zusammenarbeit und dem Land Baden-Württemberg für die Finanzierung dieser Maßnahmen. Nur so konnten und können die Gebiete ihre biologische Vielfalt und Schönheit bewahren.“

 

Die am besten erhaltenen Wässerwiesen im Landkreis

Viel Engagement steckt in der Erhaltung der Wässerwiesen (bewässerte Wiesen) in der Enzaue. Die Wiesenaue ist mit einem ausgeklügelten System von Be- und Entwässerungsgräben durchzogen, die Jahrhunderte alt und ein eindrucksvolles Kulturgut sind. Früher, als es noch keinen Mineraldünger gab, war die Wiesenwässerung ein verbreitetes Mittel, den Ertrag zu steigern. Vor allem in trockenen Jahren lohnt sich die Wiesenwässerung auch heute noch. Die Unterhaltung eines solchen Grabensystems ist jedoch ziemlich aufwändig und war auch in der Enzaue vernachlässigt worden. Mitte der 1990er-Jahre bis zum Jahr 2007 haben viele Akteure angepackt und das historische Wiesenwässerungssystem restauriert. Eine erneute Instandsetzung fand im Jahr 2013 statt. In trockenen Sommern, wie sie in den letzten Jahren häufig auftraten, wird die Wiesenwässerung durchgeführt. Dazu wird in der Wachstumszeit Enzwasser in die Gräben geleitet. Die sogenannten Fallen werden mit Schiebern aus Holz geschlossen, damit sich das Wasser aufstaut. Schließlich läuft es über die Grabenränder hinaus auf die Wiesen. Damit die Wiesen nicht versumpfen, wird überschüssiges Wasser durch Entwässerungsgräben in die Enz abgeleitet. Ein besonderes Spektakel während der Wiesenwässerung sind die zahlreichen Weißstörche, die dann hier besonders viel Nahrung finden. Es wurden schon bis zu hundert Störche in der Enzaue gesichtet.

 

Lebensraum Altwasser: Kopfweidenpflege und Entschlammung

Ein weiterer aktueller Pflegeschwerpunkt im Naturschutzgebiet Enzaue ist das Enz-Altwasser südöstlich von Roßwag. Es bietet zahlreichen Vögeln, Amphibien, Reptilien, Libellen und Käfern Lebensraum. Damit die Qualität der Lebensstätten erhalten bleibt und die Beschattung durch Gehölze nicht überhandnimmt, müssen die Weiden in regelmäßigen Abständen zurückgeschnitten werden. Hier hat sich die Abteilung Naturschutz der Stadt Vaihingen an der Enz über viele Jahre engagiert. Auch im vergangenen Jahr fand wieder dieses „Auf-den-Kopf-setzen“ statt. Dabei werden die Äste am Kopf des Stammes geschnitten und die Bäume auf diese Art verjüngt. Bald darauf treiben die „geköpften“ Weiden wieder kräftig aus. Kopfweiden sind eine uralte Nutzungsform. Früher wurden die in einem Jahr bis zu zweieinhalb Meter wachsenden Weidentriebe zum Korbflechten und zum Anbinden der Reben verwendet. Gefragt sind die aus Weidenruten geflochtenen Körbe heute wieder, ebenso wie man in den Weinbergen wieder mit Weidenruten befestigte Reben sehen kann. Doch auch, wenn man für die Weidenruten keine Verwendung hat, müssen die Ruten gekürzt werden, da sie sonst kopflastig werden und auseinanderbrechen.

Das Enz-Altwasser war bei den Enzbegradigungen in den Jahren 1839 und 1847 beim Durchstechen einer Flussschlinge entstanden. Lange Zeit entwickelte es sich ungestört und verlandete allmählich. In den Jahren 1985 und 1987 ließ die damalige Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart (BNL) den alten Flussarm auf einer Länge von 400 Metern wieder ausbaggern und stellte so den Lebensraum Altwasser wieder her. Mittlerweile ist die Verlandung wieder vorangeschritten, sodass die Entschlammung im nächsten Jahr geplant ist.

 

 

Roter Rain: Magerrasen am Steilhang

Der Rote Rain ist eine ehemalige Schafweide mit heideartiger Vegetation: Magerrasen, lichter Kiefernwald und Gebüsche sind hier miteinander verflochten. Mit knapp neun Hektar ist das Naturschutzgebiet klein, aber fein. Es kommen viele selten gewordene Pflanzen und Tiere darin vor, zum Beispiel Ästige Graslilie sowie die Orchideen Helm-Knabenkraut und Bocks-Riemenzunge. Fledermäuse, Uhu, Schlingnatter, Blauflügelige Ödlandschrecke und mehr als 30 Wildbienenarten leben hier. Nach der Ausweisung als Naturschutzgebiet hat die Naturschutzverwaltung erhebliche Mittel aufgewendet, um die viel zu zahlreichen Kiefern zu entfernen und die artenreichen Magerrasen wiederherzustellen. Heute hält eine Ziegenherde den Steilhang offen. Der Magerrasen wird damit vor der erneuten Verbuschung bewahrt. Wer hier wandert, kann weiterhin den freien und fantastischen Ausblick ins Enztal genießen.

 

Ein Zaun für die Ziegenweide

Ziegen sind kletterfreudige Tiere und Durst haben sie auch. Für eine erfolgreiche Beweidung sind daher bestimmte Voraussetzungen nötig: ein Weidezaun und eine Wasserversorgung. Beides wurde unter erschwerten Arbeitsbedingungen am Steilhang errichtet. Eine weitere Maßnahme war den wilden Müllablagerungen in der Vergangenheit geschuldet. Große Baumstämme wurden an die Hangkante geschafft, um die illegale Müllentsorgung zu erschweren. Sich um all dies zu kümmern, erfordert Organisation und kostet Geld. Auch hier arbeiten die Stadt Vaihingen an der Enz, das Landratsamt Ludwigsburg, das Regierungspräsidium Stuttgart, Landwirte und Tierhalter Hand in Hand, finanziell gefördert von der Naturschutzverwaltung des Landes.

 

Freizeitnutzung: rücksichtsvoll im Naturschutzgebiet unterwegs

Auch die Freizeitnutzung muss so gelenkt werden, dass es nicht zur Überlastung der Schutzgebiete kommt. Keinesfalls sollen Erholungssuchende aus den Gebieten „herausgehalten“ werden. Die Menschen sollen teilhaben an der Natur, jedoch ohne Pflanzen und Tiere zu beeinträchtigen. Mit einem Faltblatt und mehreren Informationstafeln vor Ort werden Besucherinnen und Besucher auf die Besonderheiten und Wissenswertes aufmerksam gemacht. Zugleich wird erklärt, wie man sich rücksichtsvoll im Naturschutzgebiet verhält. Naturverträglich ist es, beim Wandern und Radfahren auf den Wegen zu bleiben und Hunde an der Leine zu führen. Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer sollten ihre Tiere nicht in der Enz baden lassen, denn am Enzufer brütet der Eisvogel und auf den Wiesen sind bodenbrütende Vogelarten jagenden Hunden schutzlos ausgeliefert. Störungen durch Menschen und Hunde können die Brut vernichten und Wildtiere für immer vertreiben. Aus diesem Grund darf auch nicht an der Enz entlanggegangen werden. Das Bootfahren auf der Enz ist nur außerhalb der Brutzeiten zwischen Oktober und April erlaubt.

„Damit wir und auch unsere Kinder die Schönheit und den Artenreichtum in unseren Naturschutzgebieten genießen können, ist es wichtig, dass Besucherinnen und Besucher sich rücksichtsvoll in den Naturschutzgebieten verhalten und die Regeln beachten“, betonte Regierungspräsidentin Susanne Bay.

 

Hintergrundinformationen:

 

Hinweise für Erholungsuchende

Von Roßwag aus führt der asphaltierte Enztal-Radweg durchs Naturschutzgebiet Enzaue. Von diesem Weg aus lässt sich das Gebiet zu Fuß oder mit dem Fahrrad fast mühelos besichtigen. Etwa 700 Meter nach dem Wasserkraftwerk, kurz vor dem Fußgängersteg über die Enz führt rechterhand ein markierter Pfad am Steilhang des „Roten Rain“ hinauf zur Hangkante mit Aussicht. Am bequemsten ist der Aussichtspunkt von oben her, vom Parkplatz an der Kreisstraße Roßwag-Illingen, zu erreichen.

 

Für beide Naturschutzgebiete können Interessierte über das Regierungspräsidium Stuttgart ein kostenloses Faltblatt bestellen. Angefordert werden kann es per E-Mail an Piroschka.Haasis@rps.bwl.de.

 

Naturschutzgebiet Enzaue bei Roßwag und Burghalde

Das Naturschutzgebiet umfasst 70 Hektar, ein Großteil davon sind Wiesen. Ihren besonderen Charakter verdanken sie den verstreut stehenden Weiden, Pappeln, Erlen, Eschen und Obstbäumen. Die zu Kopfweiden geschnittenen Weiden – einige sind über 100 Jahre alt – pflanzten unsere Vorfahren ursprünglich, um Grundstücksgrenzen zu markieren und um Weidenruten zu gewinnen. Die artenreiche Feuchtgebietsflora, unter anderem Großer Wiesenknopf, Bach-Nelkenwurz und Gelbe Schwertlilie, lockt viele Schmetterlinge und Libellen an. Eine große Rolle spielt das Naturschutzgebiet für die Vogelwelt, beispielsweise für den weltweit im Bestand bedrohten Wachtelkönig, den Baumpieper, den Eisvogel und die Wasseramsel. Bei Erholungssuchenden ist die Enzaue zum Spazierengehen und Radfahren sehr beliebt, auch weil der fünf Kilometer lange Talabschnitt zwischen Roßwag und Mühlhausen im angrenzenden Enzkreis der einzige straßenfreie an der gesamten Enz ist.

Informationen zu Natur und Landschaft gibt es gratis: Auf zahlreichen Schautafeln wird Wissenswertes vermittelt, etwa zu Kopfweiden, Wiesenbrütern und Wässerwiesen.

 

Naturschutzgebiet Roter Rain und Umgebung

Der Prallhang der Enz am „Roten Rain" weist aufgrund seiner naturräumlichen Lage und seiner Vegetationsgeschichte eine für den Landkreis Ludwigsburg außergewöhnliche Flora und Fauna auf. Das Naturschutzgebiet umfasst knapp neun Hektar. Charakteristisch für die ehemalige Schafweide ist, dass das Gebiet sehr steil ist. Heute kommt daher eine Ziegenherde zum Einsatz, die den Steilhang offenhält – und somit dazu beiträgt, den artenreichen Magerrasen zu erhalten.

Auch hier können sich Besuchende vor Ort auf Schautafeln über das Gebiet informieren.

40 Jahre Natur- und Artenschutz: Naturschutzgebiete - Anhang 1
Regierungspräsidium Stuttgart