Internationale Vergleichskampagne für Radiosonden mit neuen Maßstäben

Internationale Vergleichskampagne für Radiosonden mit neuen Maßstäben
Internationale Vergleichskampagne für Radiosonden mit neuen Maßstäben

Wettervorhersage, Warnmanagement, Klimaforschung – alle diese Bereiche basieren auf Messdaten, die mit unterschiedlichen Systemen in der Atmosphäre erfasst werden. Ein grundlegendes und nach wie vor unverzichtbares System zur Messung von Daten in Echtzeit sind Radiosonden - kleine Geräte, die von Ballonen bis in Höhen von 35 Kilometern getragen werden und ihre Daten während des Aufstiegs zu Empfangsstationen am Boden senden.


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Zur Sicherstellung von Qualität, Vergleichbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Radiosondendaten werden in mehrjährigen Abständen im Auftrag der Weltorganisation für Meteorologie (WMO), einer UN-Sonderorganisation, Vergleichskampagnen durchgeführt. Während solcher Kampagnen steigen Radiosonden mehrerer Hersteller am selben Ballon auf, was eine direkte Vergleichbarkeit der Messdaten ermöglicht. Die jüngste Kampagne fand 2022 am Meteorologischen Observatorium Lindenberg / Richard-Aßmann-Observatorium (MOL-RAO) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) statt. Der Bericht dazu wurde jetzt von der WMO veröffentlicht.

Kampagne mit neuer Konzeption

Diese Kampagne wurde nach mehrjähriger Vorbereitung in enger Zusammenarbeit von Kolleg:innen vom Observatorium Payerne des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie MeteoSchweiz und vom MOL-RAO durchgeführt. Bis zu 35 Wissenschaftler:innen und Techniker:innen aus Indien, Großbritannien, der Schweiz, den USA und Deutschland waren während des Projektes am Observatorium Lindenberg im Einsatz. Gegenüber früheren Vergleichen wurden neue konzeptionelle Ideen umgesetzt, z.B. die Aufteilung der Kampagne in einen Labor- und einen Sondierungsteil. Die Laborkampagne fand zwischen Februar 2022 und Januar 2023 in sieben zweiwöchigen Abschnitten vor und nach der Sondierungskampagne (auch in-Situ-Kampagne oder Feldkampagne genannt) statt. Die vierwöchige Feldkampagne absolvierten die Forschenden von Mitte August bis Mitte September 2022. Dabei wurden Radiosonden von insgesamt zehn Herstellern auf Herz und Nieren getestet. Die Hersteller kamen aus China, Deutschland, Finnland, Frankreich, Indien, Japan, Südafrika und Südkorea.

Die wichtigsten Ergebnisse

  • Bis auf ein Modell erfüllen alle Radiosonden die erforderlichen Standards bei der Temperaturmessung für die numerische Wettervorhersage. Labor- und Feldergebnisse stimmen hier gut überein.
  • Bis auf zwei Radiosonden erfüllen alle die Anforderungen hinsichtlich der Messung der Luftfeuchte. Eine Tendenz zu Auffälligkeiten zeigt sich jedoch bezüglich der Temperatur beim Fliegen durch Flüssigwasser-Wolken (liquid clouds), die zu einer Differenz von bis zu 4 Kelvin führen kann. Dies wurde auch in der Laborkampagne bestätigt.
  • Sieben der zehn getesteten Radiosonden senden ihre Daten bereits im aktuellen standardisierten BUFR-Format für den weltweiten Austausch über das Global Telecommunication System (GTS) der WMO.
  • Sechs der zehn Sonden werden von den unabhängigen Operatoren als besonders nutzerfreundlich bewertet. Ein zweitägiges Training für Bedienpersonal mit Grunderfahrung sollte für den Einstieg in die Sondierung mit diesen Systemen genügen.
  • Insgesamt erfüllen alle zehn getesteten Systeme die operationellen Anforderungen für tägliche Routine-Aufstiege.

Laborkampagne: Test unter extremen Bedingungen

Radiosonden sind während ihres Einsatzes in der Atmosphäre extremen Bedingungen bezüglich Luftfeuchte, Temperatur und Strahlung ausgesetzt. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Sensoren konstant und zuverlässig Daten erfassen. In der parallelen Laborkampagne wurden die Sensoren daher in speziellen Feuchtigkeitskammern und einer Klimakammer kontrollierten Bedingungen ausgesetzt, z.B. Feuchtigkeit in verschiedenen Sättigungsstufen sowie Temperaturen bis -75 Grad Celsius. Die Sonneneinstrahlung hat einen wärmenden Einfluss auf die Temperaturmessung, insbesondere in größeren Höhen. In einer speziellen Laboreinrichtung, die die Bedingungen einschließlich der Einstrahlung beim Aufstieg simuliert, wurden die Radiosonden bei Luftdrücken zwischen 950 hPa und 5 hPa, was dem Höhenbereich zwischen Boden und 35 km entspricht, bezüglich dieses Effektes getestet.

Die Ergebnisse der Laborkampagne erlaubten einerseits eine direkte Rückmeldung an die Hersteller über die Leistungsfähigkeit und mögliches Potential für Verbesserungen ihrer Systeme. Andererseits lieferte die Laborkampagne wichtige Informationen für das Verständnis und die Beurteilung der Resultate der Feldkampagne.

Feldkampagne: unabhängige und praxisgleiche Sondierung

Eine Woche vor dem Start der Feldkampagne bauten Vertreter der Herstellerfirmen ihre Systeme am Lindenberger Observatorium auf. In dieser Zeit schulten sie für die Bedienung der Systeme ein Team von unabhängigen Operatoren aus zehn Ländern weltweit, die dafür von der WMO eingeladen worden waren. Sobald die Operatoren mit den Systemen vertraut waren, mussten die Hersteller vor Beginn der Sondierungen das Observatorium verlassen. Die Operatoren hatten die Aufgabe, selbständig die Radiosonden vorzubereiten, die Sondierungen unabhängig und praxisgleich durchzuführen und auch die Bedienerfreundlichkeit der Systeme zu bewerten. Die Prüfung der Instrumente und anschließende Analyse der Datenqualität liefert den Nutzern der Radiosondendaten, meistens die nationalen Wetterdienste, wichtige Informationen, ob und welche Systeme die Anforderungen bezüglich der spezifischen Anwendungen erfüllen.

Während der vierwöchigen Feldkampagne ließen die Forschenden insgesamt 79 Radiosondengespanne steigen, 41 davon tagsüber und 38 in der Nacht. Darüber hinaus wurden die durch die Feldkampagne gewonnenen Daten mit anderen bodengebundenen Fernerkundungssystemen wie Mikrowellenradiometer, Lidar und Windprofiler verglichen.

Auswertung und Bewertung für jeden Aufstieg

Der Schwerpunkt in der Auswertung der Messdaten und des abschließenden Berichts an die WMO liegt auf der Bewertung der einzelnen Sondensysteme. Dabei werden für jeden Aufstieg die Messabweichungen sowie die Messunsicherheiten bestimmt. Die statistische Analyse des Datensatzes wird hinsichtlich eines vorab definierten Kriterienkatalogs interpretiert und dargestellt. Auf diese Weise wird jedes Radiosondensystem im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen für einzelne Anwendungsbereiche wie Flugwetter, numerische Wettervorhersage oder Klimaforschung bewertet. Die Mitglieder des Kampagnenteams geben in ihrem Abschlussbericht an die Hersteller zudem Empfehlungen in Bezug auf mögliche Optimierungen, welche die Datenqualität der Radiosonden weiter verbessern können. Die WMO veröffentlichte jetzt den Abschlussbericht mit allen Informationen zum Aufbau und Ablauf der Vergleichskampagne sowie allen Ergebnissen im Detail. Er ist in englischer Sprache online verfügbar.

Neue Maßstäbe und optimales Umfeld

„Diese Kampagne hat für die Meteorologie neue Maßstäbe und Standards gesetzt“, sagt Dr. Ruud Dirksen, Leiter der Kampagne am Observatorium Lindenberg. „Zum einen hat der Ansatz, eine Labor- und eine Feldkampagne durchzuführen, für die Qualität der getesteten Systeme und die Datenqualität insgesamt neue Erkenntnisse gebracht. Zum anderen können diese Daten mit weiteren Referenzdaten, wie zum Beispiel aus dem Globalen Klimabeobachtungsnetzwerk GRUAN verglichen und validiert werden. Dies führt wiederum zu mehr Datensicherheit und einer besseren Datenqualität. Die Kolleginnen und Kollegen von MeteoSchweiz und DWD haben gemeinsam für die WMO diese wichtige Aufgabe hervorragend gemeistert. Ihnen gilt es für ihren Einsatz ganz besonders zu danken.“

„Wichtig für den Erfolg der Kampagne war das hohe persönliche Engagement aller Beteiligten und das Gefühl der Verbundenheit bei der Erreichung eines gemeinsamen Ziels,“ sagt Dr. Alexander Haefele, Leiter der Abteilung Atmosphärendaten am Observatorium Payern. „Das international und interdisziplinär ausgerichtete Arbeits- und Forschungsumfeld im DWD bot optimale Voraussetzungen für die Entwicklung des Konzepts und die Organisation der Kampagne, in koordinierter Zusammenarbeit mit den internationalen Partnern. Die Kampagne hat sicher auch von den einzigartigen Erfahrungen in der aerologischen Forschung mit mehr als 100jähriger Tradition, insbesondere in der in-situ-Sondierung, und den optimalen Bedingungen bezüglich der besonderen wissenschaftlich-technischen Infrastruktur am Austragungsort in Lindenberg profitiert. Die Ergebnisse sind von hoher Relevanz, insbesondere für die vielen gesellschaftlichen Bereiche, die auf Wetterinformationen angewiesen sind, für die klimabezogene Forschung, aber auch für die meist privatwirtschaftlichen Entwickler und Hersteller der Instrumente.“ Auch die Hersteller der Radiosonden zeigten sich sehr zufrieden über die Organisation und Durchführung der Kampagne. Schließlich lieferte die Vergleichskampagne weitere Anreize, die Systeme zur Gewinnung der Echtzeitdaten aus der freien Atmosphäre weiter zu optimieren – Daten, die für die Meteorologie und Klimatologie essentiell sind.

Internationale Vergleichskampagne für Radiosonden mit neuen Maßstäben - Anhang 1
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Abbildung 2: Kurz vor dem Start eines Radiosondengespanns © Ronny Leinweber, DWD Abbildung 2: Kurz vor dem Start eines Radiosondengespanns © Ronny Leinweber, DWD