Offener Brief des SRU zum Klimakabinett

Für die Umsetzung ambitionierter Klimapolitik und Klimaschutzmaßnahmen

Am 20. September trifft sich das Klimakabinett, um über klimapolitische Maß­nahmen zu entscheiden. Der SRU möchte im Vorfeld die Bedeutung dieser Beschlüsse betonen.


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Nachdem das nationale Klimaziel 2020 verfehlt wird, sind wirksame Maßnah­men umgehend notwendig, um das Ziel für 2030 zu erreichen. Mit Blick auf die Folgen des Klimawandels, die zunehmende öffentliche Diskussion über erfolgreichen Klima­schutz und den bevorstehenden Klimagipfel in New York ist es essenziell, den Willen Deutschlands auch auf internationaler Ebene erkennen zu lassen und durch ein Gesetz zu untermauern, mit dem der deutsche Beitrag zum Pariser Klimaabkommen konse­quent verfolgt und erreicht wird.

Der Handlungsbedarf in der Klimapolitik ist erheblich. Dies gilt in doppelter Hinsicht. Zum einen muss die derzeit bestehende Umsetzungslücke geschlossen werden. Bislang beschlossene Maßnahmen reichen nicht aus, um die gesetzten Klimaziele einzuhalten. Zum anderen besteht darüber hinaus noch eine Ambitionslücke, weil die gesetzten Ziele keinen ausreichenden Beitrag Deutschlands zur Einhaltung der Pariser Klimaziele liefern. Vor allem in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft müssen deutlich effektivere Maßnahmen ergriffen werden.

Die Erwärmung der Erde wird vor allem durch die Gesamtmenge an emittierten Treib­hausgasen bestimmt. Die entscheidende Messlatte für die deutsche Klimapolitik sollte daher ein nationales Klimabudget sein, also die Menge an Emissionen, die noch aus­gestoßen werden dürfen, um den deutschen Anteil am Pariser Abkommen einzuhalten. Im jüngsten Sonderbericht des UN-Weltklimarats IPCC wird das ab 2018 verbleibende weltweite Budget für CO2-Emissionen mit 800 Milliarden Tonnen CO2 beziffert (für einen Temperaturanstieg von maximal 1,75° C und einer Wahrscheinlichkeit der Zielerrei­chung von 67 %). Daraus ergibt sich für Deutschland unter Vernachlässigung der historischen Emissionen und bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020. Bei fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre dieses Budget in weniger als 9 Jahren (2028) verbraucht, bei einer linearen Reduktion nach etwas mehr als 17 Jahren (2037). Ein längerer Zeitverlauf zur Treibhausgasneutralität (z. B. bis 2050) erfordert überproportionale Reduktionserfolge in den nächsten Jahren. Dieses Budget lässt sich auch auf Sektoren verteilen. Dabei kann berücksichtigt werden, dass Klima­schutz in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich schnell umsetzbar ist.

Ein Klimaschutzgesetz sollte dazu beitragen, sowohl die Umsetzungs- als auch die Ambitionslücke in den einzelnen Sektoren zu schließen. Das Gesetz sollte zum einen Maßnahmen zur Zielerreichung zusammenfassen, zum anderen aber auch Klimapolitik institutionell stärken. Hierfür ist aus Sicht des SRU erforderlich, dass der Umsetzungs­fortschritt wissenschaftlich überprüft wird und bei festgestellten Defiziten klimapolitische Maßnahmen folgen. Die deutschen Klimaziele sollten sukzessive an das für das Pariser Klimaabkommen wissenschaftlich notwendige Ambitionsniveau angepasst und durch unabhängige Expertinnen und Experten am Maßstab des Klimabudgets evaluiert werden.

Der SRU empfiehlt, die Kohleverstromung so zu reduzieren, dass ein mit dem Klima­abkommen von Paris im Einklang stehendes Emissionsbudget eingehalten wird. Zudem sollte die Nutzung fossilen Erdgases schrittweise auslaufen, wozu bereits heute die politischen und planerischen Weichen zu stellen sind. Nur so können Fehlinvestitionen in fossile Technologien vermieden werden, die einer langfristigen Transformation ent­gegenstehen. Parallel muss der Ausbau erneuerbarer Energien deutlich beschleunigt werden.

Im Gebäudesektor ist es aus klimapolitischer Sicht zwingend notwendig, den CO2-Ausstoß sowohl in der Bauindustrie als auch im Betrieb der Gebäude zu senken. Ein besonderes Augenmerk ist auf den Gebäudebestand zu legen. Hier bedarf es aus Sicht des SRU langfristiger Strategien für energetische Sanierungspfade und erneuerbare Energieversorgung unter Berücksichtigung von sozialen Aspekten. Auf Quartiersebene können Klimaschutzmaßnahmen breiter eingesetzt und Synergien genutzt werden. Die Verabschiedung eines ausgewogenen Gebäudeenergiegesetzes ist für die Erreichung der Klimaschutzziele im Bausektor von elementarer Bedeutung. Mit Blick auf den Klimawandel sollten Maßnahmen der Klimaanpassung in Städten deutlich gestärkt werden.

Auch im Verkehrssektor müssen die Treibhausgasemissionen schnell gesenkt werden. Das vom Bundesverkehrsministerium Anfang September 2019 vorgestellte Maßnah­menpaket reicht nicht aus, um das Klimaschutzziel des Verkehrssektors zu erreichen. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, die einen zügigen Umstieg auf erneuer­bare Energien ermöglichen und dazu führen, dass fossile Kraftstoffe durch alternative Antriebe ersetzt werden. Dabei sind die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien und die Rohstoffverfügbarkeit zu berücksichtigen. Maßnahmen, die der SRU hier für sinnvoll hält, sind z. B. eine Zulassungsquote für Elektrofahrzeuge, ambitionierte CO2- und Effizienz-Grenzwerte, eine streckenabhängige Pkw-Maut sowie ein allgemeines Tempolimit. Diese Maßnahmen müssen begleitet werden von einer konsequenten Kreislaufwirtschaftspolitik, die eine langfristige und nachhaltige Rohstoffverfügbarkeit sicherstellt. Die Ausweitung des Anbaus von Biosprit-Pflanzen bzw. deren verstärkten Import halten wir aus Gründen des Biodiversitäts- und Ökosystemschutzes nicht für sinnvoll.

In der Landwirtschaft können unter anderem Maßnahmen zur Stickstoffminderung und zum Schutz von kohlenstoffspeichernden Böden zum Erreichen der Sektorziele beitragen.

Der SRU sieht zudem eine grundlegende Reform des derzeitigen Steuer- und Abgaben­systems als notwendig an. Ein Schwerpunkt sollte beim Abbau umweltschädlicher Subventionen liegen. Bei der zügig einzuführenden CO2-Bepreisung ist sicherzustellen, dass sie ein wirksames Preissignal setzt und sozialverträglich ausgestaltet wird.

Sachverständigenrat für Umweltfragen direkter Link zum Artikel