Bestätigung durch niederländisches Gericht - Ausschreibungsfreiheit für interkommunale Kooperation

Niederländisches Gericht bestätigt die vergaberechtliche Ausschreibungsfreiheit der grenzüberschreitenden interkommunalen Kooperation in der Abfallwirtschaft zwischen der Stadt Münster und 12 niederländischen Kommunen


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Die Rechtsbank Overijssel, Kammer für Handelssachen, hat mit Beschluss vom 01.02.2023 (C/08/284226/HA RK 22-72) entschieden, dass die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Münster und 12 niederländischen Kommunen auf dem Gebiet der kommunalen Abfallwirtschaft die vergaberechtlichen Anforderungen an eine ausschreibungsfreie gemeinsame Aufgabenwahrnehmung nach europäischem und nationalem Vergaberecht erfüllt. Daher durften die 12 niederländischen Kommunen als Gesellschafter der Twence Holding B.V. auch ihr kommunales Unternehmen ausschreibungsfrei mit der Behandlung von Abfällen aus Münster auf Grundlage der interkommunalen Kooperation beauftragen.

Hintergrund des Verfahrens

Hintergrund ist ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren, das die AVR, ein großes privates Entsorgungsunternehmen in den Niederlanden, gegen die Twence Holding B.V. und ihre kommunalen Gesellschafter, 12 niederländische Kommunen, eingeleitet hat.

Diese 12 Kommunen hatten im Jahre 2018 mit der Stadt Münster eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GkG) und dem sog. Anholter Vertrag – einem Staatsvertrag zwischen den Niederlanden, der Bundesrepublik Deutschland und dem Land NRW – zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung auf dem Gebiet der kommunalen Abfallwirtschaft abgeschlossen. Aufgrund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen, die ausschließlich kommunalen Gebietskörperschaften die gemeinsame Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben öffentlich-rechtlicher Organisationsformen erlaubt, werden überlassungspflichtige Abfälle aus Münster in Anlagen der Twence Holding B.V., die den kommunalen Kooperationspartnern gehören, verarbeitet. Im Gegenzug übernimmt die Stadt Münster für die niederländischen Kommunen Bioabfälle aus privaten Haushaltungen. Die interkommunale Kooperation entspricht somit als Anlagen- und Entsorgungsverbund zur gemeinsamen Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben, die allen Gebietskörperschaften obliegen, auf Grundlage eines kooperativen Konzeptes den Anforderungen einer ausschreibungsfreien Zusammenarbeit gem. Art. 12 Abs. 4 Auftragsvergaberichtlinie sowie den nationalen Vergabevorschriften.

Dagegen war die AVR der Auffassung, dass diese Tätigkeiten der Twence Holding B.V. und ihrer Tochterunternehmen keine Tätigkeit für ihre kommunalen Anteilseigner, sondern für Dritte im Wettbewerb darstellen und insoweit die In-House-Kriterien nicht gegeben seien.

Wesentliche Entscheidungsgründe des Gerichts

Dieser Auffassung hat Rechtbank Overijssel nunmehr eine deutliche Absage erteilt. So sei zunächst das Beherrschungskriterium bereits deshalb gegeben, da eine gemeinsame Beherrschung der AWI Twente und Twence Bioconversie, die Aufträge für ihre kommunalen Gesellschafter ausführen, vorliege.

Zudem sei auch das für ein In-House-Geschäft erforderlichen Wesentlichkeitskriterien erfüllt. Denn die interkommunale Kooperation zwischen der Stadt Münster und den 12 niederländischen Kommunen als Gesellschafter der AWI Twente erfüllen die Voraussetzungen einer ausschreibungsfreien gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung nach Art. 12 Abs. 4 der Auftragsvergaberichtlinie und den nationalen vergaberechtlichen Ausnahmeregelungen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der hier gemeinsam wahrgenommenen Aufgabe der Behandlung von Haushaltsabfällen um eine Aufgabe im öffentlichen Interesse, die die kommunalen Gebietskörperschaften als öffentliche Auftraggeber auf Grundlage von öffentlich-rechtlichen Regelungen, also dem Anholter Vertrag, gemeinsam wahrnehmen. Auch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und die Verfolgung gemeinsamer öffentlicher Ziele seien in der Vereinbarung klar geregelt. Zudem basiere die interkommunale Kooperation auf der Erbringung gegenseitiger Leistungsverpflichtungen und damit auf Grundlage eines kooperativen Konzeptes, das gem. Erwägungsgrund Nr. 33 der Auftragsvergaberichtlinie für eine interkommunale Kooperation wesentlich ist.

Aus diesem Grund dürfen die 12 niederländischen Kooperationspartner die AWI Twente auch ohne Ausschreibung im Wege eines In-House-Geschäftes mit der Behandlung von Abfällen aus Münster beauftragen, da es sich hierbei um Tätigkeiten der niederländischen Kommunen handelt, mit denen die AWI Twente zulässig betraut werden kann. Es handelt sich daher um Eigengeschäft und nicht um Fremdgeschäft.

Bewertung aus kommunaler Sicht

Damit hat die Rechtbank Overijssel deutlich klargestellt, dass die Voraussetzungen einer gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung und damit einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit im Sinne des europäischen Vergaberechts, die in § 108 Abs. 6 GWB in nationales Recht umgesetzt wurden, auch im Rahmen einer grenzüberschreitenden öffentlich-rechtlichen Vereinbarung verwirklicht werden können.

Weiterhin hat das Gericht betont, dass auch eine Kombination von zwei vergaberechtlichen Ausnahmetatbeständen, nämlich der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung einerseits und einer In-House-Beauftragung möglich sind (vgl. zu dieser Möglichkeit auch EuGH, Urt. v. 18.06.2020, C – 328/19).

„Diese Entscheidung bestätigt die kommunalen Organisations- und Kooperationsoptionen auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft und trägt damit zur Rechtssicherheit für derartige Organisationsmaßnahmen bei.“, so Patrick Hasenkamp, Leiter der Abfallwirtschaftsbetriebe Münster und Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).

Die Entscheidung, die für die Stadt Münster und den AWM durch Gruneberg Rechtsanwälte begleitet wurde, ist noch nicht rechtskräftig.

Gruneberg Rechtsanwälte