Eine Gesellschaft ohne Abfall ist wirklichkeitsfern

EU-Kommission veröffentlicht Paket zur Kreislaufwirtschaft

Die von der EU-Kommission verabschiedeten Vorschläge, die in Europa vorherrschende Abfallbeseitigung in eine Kreislaufwirtschaft zu transformieren, wird auch vom Land Hessen begrüßt. Mit dem angestrebten Deponieverbot für recycelbare Abfälle und dem weiteren Ausbau des Abfallrecyclings wird es allerdings nicht gelingen, eine abfallfreie Gesellschaft zu entwickeln.


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Dies ist nach Ansicht der hessischen Umweltministerin Priska Hinz reine Augenwischerei.

Um die Abfallerzeugung zu verringern brauchen wir ein über die Vorschläge der Kommission hinausgehendes Maßnahmenpaket. Ziel muss eine gesteigerte Ressourceneffizienz, die Reduzierung des Verbrauchs natürlicher Rohstoffe und der verstärkte Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Bauwirtschaft und der industriellen Produktion sein. Hierzu kann die Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Beitrag leisten, indem natürliche Ressourcen geschont sowie Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen geschützt werden.

Bei uns wurden bereits vor 20 Jahren mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz erste Schritte zur Einführung der Kreislaufwirtschaft unternommen. Auch dürfen seit 2005 keine biologisch abbaubare Abfälle mehr deponiert werden. Dennoch ist die Bilanz ernüchternd. Gegenwärtig werden zwar rund 90 Prozent der mineralischen Abfälle verwertet; dennoch wird hierdurch lediglich 15 – 20 Prozent des Baustoffbedarfs abgedeckt, so dass weiterhin erhebliche Mengen an Kies, Sand und Natursteinen gewonnen bzw. abgebaut werden.

Obwohl seit mehr als 20 Jahren die Getrenntsammlung und Kompostierung von Küchen- und Gartenabfälle propagiert wird, verfügt bundesweit nur etwa die Hälfte der Bevölkerung über eine Biotonne. Darüber hinaus werden noch immer Küchen- und Speiseabfälle überwiegend in der Restmülltonne gesammelt. Gleichwohl liegt Hessen bei der Erfassung über die Biotonne im Bundesvergleich an erster Stelle.

Die Rücknahme und umweltgerechte Demontage von Altfahrzeugen besitzt einen hohen Stellenwert. Gleichwohl werden nur 20 Prozent der in Deutschland abgemeldeten Fahrzeuge entsprechend den Anforderungen der Altfahrzeugverordnung ordnungsgemäß demontiert. Die Erfassungsquote für ausgemusterte Elektronik- und Elektroaltgeräte beträgt etwa 45 Prozent. Der Verbleib der übrigen Geräte ist ungeklärt. Unbefriedigend ist auch die Rückgewinnung von Edelmetallen aus den erfassten Altgeräten. Während Eisen, Chrom, Nickel, Kupfer und Zink über 50 Prozent recycelt werden, liegt die Recyclingquote der für die elektronischen Bauteile und Antriebsaggregate benötigten „seltenen Erden“ niedriger als ein Prozent.

Aufgrund dieser Defizite ist es notwendig, das öffentliche Bewusstsein für Abfallvermeidung und Ressourceneffizienz sowie für Getrenntsammlung und Recycling zu stärken. Neben ordnungsrechtlichen Vorgaben sollten wirtschaftliche Anreize für die Rückgabe von gebrauchten und hochwertigen Elektronikerzeugnissen eingeführt werden. Die Technologien für die weitergehende Abfallbehandlung und die Rückgewinnung von Wertstoffen sind fortzuentwickeln. Und nicht zuletzt sollte die behördliche Überwachung auf illegale Verbringungen und umweltgefährdende Praktiken stärker fokussiert werden.

Das Ziel der Kommission, in Europa eine abfallarme Kreislaufwirtschaft zu implementieren, ist ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings reichen ehrgeizige Programme und neue Rechtsvorschriften nicht aus, um dieses Ziel zu erreichen. Wie die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, kommt es vor allem darauf an, für die Umsetzung dieser Ziele und den Vollzug der Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten kompetente Vollzugsbehörden und effektive Vollzugsprogramme zu organisieren. Die hier offenkundigen Defizite müssen die Mitgliedsstaaten mit Unterstützung der Kommission und der übrigen Mitgliedsstaaten in eigener Verantwortung beseitigen. So arbeiten z.B. schon heute unsere hessischen Abfallbehörden im Rahmen des europäischen Behördennetzwerkes IMPEL erfolgreich bei der Überwachung grenzüberschreitender Abfalltransporte mit den Behörden der Nachbarländer eng zusammen.

Hintergrund:
Nach der veröffentlichten Abfallmengenbilanz des Landes Hessen für das Jahr 2012 sieht die Situation derzeit wie folgt aus: In Hessen wurden insgesamt 5,75 Mio. Tonnen Abfälle erzeugt von denen insgesamt 3,07 Mio. Tonnen stofflich und 1,35 Mio. Tonnen energetisch verwertet oder thermisch behandelt (mit Energieumwandlung) wurden. Dies entspricht einer Recyclingquote von 54 Prozent. Fast 43 Prozent, rund 1,2 Mio. Tonnen Sperrmüll, Bioabfälle und getrennt erfasste Wertstoffe wurden stofflich verwertet. Mit diesen hohen Verwertungsquoten gehört Hessen schon heute zu den Spitzenreitern in Deutschland und Europa.

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz direkter Link zum Artikel