Konsequenzen aus dem Krieg in der Ukraine / Interviewpartner*innen beim BUND

BUND-Expertendienst:

Der Krieg in der Ukraine bedroht unsere Sicherheit und Freiheit. Er hat zudem große Auswirkungen auf die Energieversorgung, die Agrarmärkte und Ressourcen.


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In aller Deutlichkeit zeigt sich dieser Tage, wie abhängig und verletzlich unsere Gesellschaft in diesen Bereichen ist. Es braucht eine echte Umkehr beim verschwenderischen Umgang mit Energie und eine umweltbewusstere Landwirtschaft als Beitrag zur Unabhängigkeit und zur Ernährungssicherheit.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Bundesregierung mit einem Maßnahmenkatalog zu sofortigem Handeln (Link siehe unten) aufgefordert. Ziel muss es sein, Deutschland unabhängiger von Importen und damit widerstandsfähiger gegen äußere Einflüsse zu machen. Aber auch hinsichtlich der großen ökologischen Krisen müssen wir handeln. Denn die Klima- und die Biodiversitätskrise bestehen fort und sind eine existenzielle Bedrohung.

Unsere Expert*innen auf den Gebieten Energiepolitik und Klima, Agrarpolitik und Lebensmittel, Gentechnik, Biodiversität sowie Wirtschaft und Handel, Nachhaltigkeit und Suffizienz, Ressourcen oder Verkehr stehen für Interviews und Einordnungen zur Verfügung.

Es folgen Zitate zur freien Verwendung sowie die Kontaktdaten. Über Ihr Interesse freuen wir uns.

Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „Es ist zutiefst verstörend zu sehen, dass wir unseren ressourcengierigen Lebenswandel in Zeiten von zerstörerischen Kriegen und ökologischen Krisen fortsetzen. Der Krieg in der Ukraine führt uns unsere Abhängigkeit von fossilen Energien und unsere agrarpolitischen Irrwege drastisch vor Augen. Eine naturverträgliche Energiewende mit einer massiven Verringerung der Energieverbräuche, eine naturverträgliche und bodenschonende Landwirtschaft als Beitrag zur agrarpolitischen Unabhängigkeit und eine schonendere Ressourcenpolitik tragen wesentlich zur Eigenständigkeit Deutschlands und zugleich zur Konfliktprävention bei. Sie sind aber auch das Gebot der Stunde mit Blick auf die großen ökologischen Menschheitskrisen, die andauern werden und eine existenzielle Bedrohung unserer Lebensgrundlagen darstellen: die Klima- und die Biodiversitätskrise. Nur mit einem tiefgreifenden Wandel und langfristigen Maßnahmen lassen sich diese Krisen meistern.“

Energie | Klima | Verkehr

Energieverbräuche Industrie:

„Rund ein Drittel des Erdgases wird von der Industrie verbraucht. Deswegen ist es jetzt wichtig in Energieeffizienz zu investieren und fossilen Brennstoffen weitestgehend mit erneuerbarem Strom zu ersetzen. Erdgas wird auch als Rohstoff in der Chemieindustrie eingesetzt, beispielsweise um Düngemittel oder Plastik zu produzieren. Weniger Verbrauch von Mineraldüngern und Plastik ist das Gebot der Stunde und macht uns unabhängiger. Das gilt auch für andere Rohstoffe und Metalle, die wir aus Russland importieren: Besseres Recycling reduziert unseren Ressourcenhunger und braucht weniger Energie als die Herstellung von Primärmaterialien“, sagt Verena Graichen, stellvertretende BUND-Vorsitzende.

Gas/Kohle/Strom/Öl:

„Die Zukunft der Energieversorgung in fossilen Brennstoffen zu suchen, ist grundfalsch. Kohle, Gas, Öl und Atomkraft sind die Energieträger der Vergangenheit, nicht die der Zukunft. Nur mit Energie aus Wind und Sonne schaffen wir es, unsere Energieversorgung sicher und unabhängig zu machen. Bürgernah und naturverträglich wird der Ausbau zudem ein Erfolgsprojekt. Aber auch erneuerbare Energien sind endlich. Es braucht eine Zeitenwende im Umgang mit Energie: Wir alle, die öffentliche Hand, die Verbraucher*innen und die Industrie müssen Energieverschwendung konsequent abstellen. Tankrabatte tun dies nicht. Sie subventionieren den Öl-Hunger unserer Gesellschaft und bescheren auch dem russischen Staat und seinen Ölkonzernen weitere Milliardengewinne. Mit einem generellen Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 80 außer Orts hingegen können sofort jährlich rund zwei Milliarden Liter Treibstoff eingespart und die Tankquittungen kleingehalten werden. Einfach, schnell umsetzbar und effizient“, sagt Antje von Broock, Geschäftsführerin beim BUND.

Erneuerbare Energien, Gebäude/Solar/Dämmung, Bürgerenergie:

„Die Russlandkrise verdeutlicht die Dringlichkeit, von fossilen auf erneuerbare Energien umzusteigen. Damit dies gelingt, müssen Bürger*innen wieder am Ausbau teilhaben können. Ein dezentral organisiertes Energiesystem in Bürger*innenhand fördert regionale Wirtschaft und ökonomisch stabile Kommunen und trägt somit zu mehr Gerechtigkeit bei Produktion und Verbrauch des Allgemeingutes Energie bei. Menschen sollen von den Erneuerbaren profitieren und die Energiewende mitgestalten können. Das wiederum bietet die Chance für eine engere persönliche Beziehung zu Wärme und Strom und somit für einen sorgsameren und klügeren Umgang mit Energie. Das ist dringend notwendig, denn nur mit einem um die Hälfte reduzierten Energieverbrauch kann einen naturverträglicheren Umbau auf 100 Prozent Erneuerbare gelingen. Die derzeitige Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetztes bietet jetzt die Chance hierfür die richtigen Weichen zu stellen. Wir sehen ambitionierte Ziele, aber nur zögerliche Bemühungen, wenn es um die Maßnahmen zur Umsetzung gehen. Die Bundesregierung sollte mehr Entschlossenheit zeigen, um diese große gesamtgesellschaftliche Transformation in Schwung zu bringen“, sagt Caroline Gebauer, BUND-Expertin für Energiepolitik.

Energieversorgung, Atomenergie:

„Kein Atomkraftwerk (AKW) ist gegen Terror und Krieg ausgelegt. Die AKW im Kriegsgebiet in der Ukraine stellen eine akute nukleare Bedrohung für ganz Europa dar. Dass Atommeiler bombardiert oder unbeabsichtigt getroffen werden könnten, ist dabei längst nicht die einzige Sorge. Bereits ein längerer Stromausfall könnte dazu führen, dass die Kühlung der Brennelemente im Reaktor ausfällt und eine Kernschmelze eintritt – mit katastrophalen Folgen. Die Ukraine betreibt insgesamt 15 Reaktoren an vier Standorten. Dass die EU trotz der unmittelbaren Gefährdungslage immer noch erwägt, Atomkraft als nachhaltige Energieform einzustufen, ist unsäglich. Spätestens jetzt sollte die Taxonomie-Debatte um Atomkraft und Erdgas vom Tisch sein. Europa steht am Anfang einer Krise und seine Atomkraftwerke sind tickende Zeitbomben. Die EU muss jetzt alles daransetzen, sie so schnell wie möglich abzustellen und das fossil-atomare Energiezeitalter zu beenden. Nur die Energiewende schafft sicherheits- und friedenspolitische Voraussetzungen für ein zukunftsfähiges Europa“, erklärt Angela Wolff, BUND-Expertin für Atom- und Energiepolitik.

Erneuerbare Naturverträglichkeit:

„Der naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien ist einer der wichtigsten Beiträge Deutschlands zur Klimagerechtigkeit. Hinzu kommen die indirekten positiven Effekte für die Natur: Gas, Öl und Kohle sowie die um sie geführten Konflikte sind vier der dramatischsten Treiber des Artenverlustes und der Zerstörung von Lebensräumen. Stoppen wir diese, erhalten wir die Natur. Für Deutschland heißt das aber auch: sorgfältige Planung des naturverträglichen Ausbaus von Windkraft- und Solaranlagen und ein besserer Naturschutz mit dauerhafter Finanzierung für die Stärkung bedrohter Arten und Lebensräume. Denn das größte Problem der heimischen Natur ist nicht die naturverträgliche Energiewende, sondern eine falsche Verkehrs-, Agrar-, und Siedlungspolitik“, erklärt Magnus Wessel, BUND-Expertin für Naturschutz.

Mobilität und Verkehrswende:

„Um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern, müssen Sofortmaßnahmen zur Energieeinsparung wie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und autofreie Sonntage umgesetzt werden. Zudem ist es an der Zeit, endlich die Weichen für eine Mobilitätswende zu stellen, die es den Menschen ermöglicht, ohne eigenes Auto mobil zu sein und die Güter auf die Schiene verlagert. Gelder aus dem überdimensionierten Fernstraßenbau müssen in die Verbesserung der Angebote bei den öffentlichen Verkehren umgewidmet werden. Ein flächendeckendes 365-Euro-Ticket für den Nahverkehr und günstige Jahrestickets für den Fernverkehr – angelehnt an das Klimaticket in Österreich – sind dafür zielführend“, sagt Jens Hilgenberg, BUND-Verkehrsexperte.

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. direkter Link zum Artikel