Bilanz zur Hochwasserlage: Grafschaft ist mit blauem Auge davongekommen

Bilanz zur Hochwasserlage: Grafschaft ist mit blauem Auge davongekommen
Bilanz zur Hochwasserlage: Grafschaft ist mit blauem Auge davongekommen

Das Hochwasser an Vechte und Dinkel hat den Landkreis Grafschaft Bentheim von Weihnachten an bis ins neue Jahr 2024 hinein in Atem gehalten.


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Da die Pegel der beiden Flüsse über einen langen Zeitraum stark angestiegen und über die Ufer getreten waren, war die Hochwasserlage rund um Schüttorf, Neuenhaus und Emlichheim sehr angespannt. Mittlerweile liegen die Pegelstände wieder unterhalb der Meldestufen, die Situation hat sich normalisiert. Zeit für die Grafschafter Kreisverwaltung, eine erste Bilanz zu ziehen. „Die Krisenbewältigung und die Zusammenarbeit zwischen Landkreis, Kommunen und Einsatzkräften ist hervorragend gelaufen. Alles lief Hand in Hand und es war eine unglaublich hohe Motivation bei den Einsatzkräften zu spüren, trotz der Feiertage. Zugleich muss man aber auch ehrlich sagen: Wir sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen“, machen Landrat Uwe Fietzek und die Verantwortlichen der Katastrophenschutz- sowie der Unteren Wasserbehörde deutlich.

Rund 15.000 verbaute Sandsäcke entlang der Hochwasserschutzeinrichtungen, weitere 75.000 verfügbare Sandsäcke, der zeitgleiche Einsatz von bis zu 300 Hilfs- und Rettungskräften, rund 130 hochwasserbedingte Einsatzberichte allein zwischen Weihnachten und Silvester – diese Zahlen von Kreisbrandmeister Daniel Loehrke zeigen, wie ernst die Situation in der Grafschaft gewesen ist.

Von Anfang an enger Austausch mit Kommunen, Nachbarlandkreisen und den Niederlanden

Begünstigt wurde die Hochwasserlage durch die starken Niederschläge, die seit Oktober in der Grafschaft gefallen sind. Innerhalb von drei Monaten wurden 400 Millimeter Niederschlag gemessen. Das entspricht der Hälfte der Niederschlagsmenge des gesamten Jahres. „Die Böden waren stark gesättigt. Auch weit vor Beginn der Hochwasserlage haben wir bereits sogenannte bordvolle Abflüsse in den Gewässern verzeichnet. Die Gewässerprofile waren komplett gefüllt“, berichtet Roberto Goncalves, Leiter der Abteilung Umwelt. Als dann die ersten Hochwasser-Warnhinweise des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) am 21. und 22. Dezember 2023 eingingen, hat der Landkreis sofort vorsorgliche Maßnahmen ergriffen. „Wir haben umgehend Kontakt zu allen betroffenen Kommunen aufgenommen. Uns war klar: Es wird zu einem Hochwasser kommen“, blickt Goncalves zurück. Auch mit dem benachbarten Landkreis Steinfurt und den Niederlanden stand er seither täglich im engen Austausch: „Ein großer Vorteil war für uns, dass die Niederländer über ein eigenes, präzises Hochwasservorhersageprogramm verfügen. Wir konnten somit auf das Vorhersagesystem des NLWKN und auf das der Niederländer zugreifen.“

Stab für außergewöhnliche Ereignisse hatte Lage im Blick – Kreis unterstützte Kommunen

Bei der Bekämpfung der Hochwasserlage waren in erster Linie die kreisangehörigen Städte und Gemeinden selbst gefordert – denn sie sind für die Gefahrenabwehr zuständig, solange kein Katastrophenfall ausgerufen ist. Der Landkreis hat die Kommunen dabei unterstützt und zentrale Ressourcen bereitgestellt. „Es hat sich schnell abgezeichnet, dass sich die Lage verschärfen wird, daher haben wir bereits am 23. Dezember 2023 den Stab für außergewöhnliche Ereignisse, kurz SAE, einberufen. Dieser Stab ist zweimal täglich zu Lagebesprechungen zusammengekommen. Uns war wichtig, die Lage genau zu beobachten, um frühzeitig eingreifen zu können und nicht den Punkt zu verpassen, an dem der Katastrophenfall ausgerufen werden muss und die Zuständigkeit auf den Landkreis übergeht. Von diesem Punkt waren wir zum Glück weit entfernt“, erklärt die zuständige Dezernentin Dr. Elke Bertke.

Technische Einsatzleitung rund um die Uhr erreichbar gewesen

Weiterhin hat die Technische Einsatzleitung (TEL) am Ersten Weihnachtsfeiertag ihren Betrieb im 24-Stunden-Modus im Kreishaus aufgenommen und u.a. an den Lagebesprechungen der SAE teilgenommen. Durch die TEL war die Verbindung zwischen dem Kreisbrandmeister und den Stadt- bzw. Gemeindebrandmeistern gewährleistet. „Die TEL hat die Kreisfeuerwehrführung unterstützt und im Hintergrund agiert. Sie hat die Lage im Blick gehabt und Schutzmaßnahmen abgestimmt. Dazu gehörte beispielsweise, dass in der Nacht auf den 28. Dezember 2023 kurzfristig 1.600 zusätzliche Sandsäcke nach Laar transportiert werden mussten. Darum hat sich die TEL umgehend gekümmert“, berichtet Kreisbrandmeister Loehrke.

Agieren statt reagieren

„Wichtig war uns, dass wir jederzeit vor der Lage agieren können und nicht auf die Lage reagieren müssen“, betont Hans-Olaf Schierbeck, der seitens der Katastrophenschutzbehörde im SAE vertreten war. Zusammen mit seinem Kollegen Matthias Woltering hat er u.a. 50.000 Sandsäcke über ein Amtshilfeersuchen vom Land Niedersachen geordert. Beide loben die schnelle und gute Zusammenarbeit mit dem Land. „Generell gab es kein Kompetenzgerangel. Jede Einheit, wusste, was sie zu tun hat. Wir konnten auf geübte Gefahrenabwehrstrukturen zurückgreifen“, sagt Woltering.

Verwallungen haben für Sicherheit hohe Bedeutung – Standsicherheit war kritisch

Bei der Hochwasserlage galt ein banger Blick stets den Verwallungen entlang von Vechte und Dinkel, die die Bevölkerung schützen sollen. „Verwallungen sind allerdings keine Deiche. Es gibt keine festgelegten Normen für Verwallungen. Im Grunde sind es reine Sandhügel, die aber für unsere Sicherheit eine hohe Bedeutung haben“, erläutert Roberto Goncalves. Früher seien die Verwallungen durch die Kommunen oder zuständigen Wasser- und Bodenverbände regelmäßig geprüft worden. In den letzten Jahren sei dies aber nicht mehr so intensiv erfolgt. So konnten etwa Nutrias dort Bauten errichten oder Bäume und Sträucher darauf wachsen. Die Standfestigkeit der Verwallungen war dadurch nicht mehr garantiert und musste während der Hochwasserlage engmaschig kontrolliert werden. Dass die Verwallungen den tagelangen Belastungen durch den hohen Wasserdruck überhaupt standgehalten haben, überrascht Goncalves. Trotzdem wird die Behörde das Gespräch mit den Kommunen und den Wasser- und Bodenverbänden suchen, um künftige Sicherungs- und Unterhaltungsmaßnahmen abzustimmen. Bereits zu Beginn des Jahres 2023 hat der Landkreis eine Förderrichtlinie erlassen, über die Kommunen Zuschüsse für die Instandsetzung von Hochwasserschutzeinrichtungen, wie Verwallungen, erhalten können. „Wir erwarten jetzt deutlich mehr Anträge als zuvor“, so Goncalves.

Nachbarschaftshilfe für das Emsland

Trotz der angespannten Hochwasserlage hat der Landkreis Nachbarschaftshilfe geleistet. Im benachbarten Emsland spitzte sich die Lage zum Jahreswechsel zu. „Wir haben 38.000 Sandsäcke ins Emsland transportiert. Grafschafter Einsatzkräfte haben zudem in Haren geholfen und wir haben Ausweichpflegeplätze für mögliche Evakuierungen angeboten“, schildert Matthias Woltering.

Landrat mahnt: Hochwasser-Thematik wird weiter präsent sein

Das Ausmaß an Schäden werde erst nach und nach sichtbar, so Elke Bertke: „Die Kreisstraßenmeisterei prüft derzeit die Kreisstraßen, Radwege und Brücken.“ Wichtig sei dem Landkreis, die Hochwasserlage gemeinsam mit allen Beteiligten zu reflektieren und Lehren daraus zu ziehen – etwa mit Blick auf die Hochwasserschutzpläne oder auf die künftige Unterhaltung der Verwallungen. Für die zweite Jahreshälfte kündigt Bertke ein Fachsymposium mit allen Beteiligten an. Hier sollen u.a. das Hochwasserrisiko in der Grafschaft und die Möglichkeiten der Prävention auf der Agenda stehen.

„Wir sind im Bereich des Katastrophenschutzes schon gut aufgestellt, können aber noch besser werden. Bei der Hochwasserlage haben wir schnelle Reaktionen und ein sicheres Handeln bei den Behörden und Einsatzkräften gesehen. Dafür spreche ich allen Beteiligten meinen großen Dank und meine Anerkennung aus“, fasst Landrat Fietzek die Erfahrungen der letzten Wochen zusammen. Zugleich mahnt er, dass dies kein einmaliges Ereignis gewesen sei: „Die Hochwasser-Thematik wird weiter präsent sein. Wichtig ist daher, dass wir die Sicherheit der Hochwasserschutzeinrichtungen künftig stärker in den Fokus nehmen und auch die Unterhaltung der Einrichtungen gewährleisten.“

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