Gewässer stärker belastet als bislang angenommen

Gängige Pestizidanalysen weisen Toxizität von Schadstoffen unzureichend nach

Gewässer sind Senken und binden daher Schadstoffe besonders gut. Um darin auch geringe toxische Konzentrationen nachzuweisen, sollten Wachstum und Schwimmverhalten von Kleinkrebsen und Mini-Schnecken für eine ökotoxikologische Bewertung einbezogen werden. Zu diesem Schluss kommt eine Wissenschaftlerin der TUM, die mehrere Studien dazu durchgeführt hat. Dass es aussagekräftiger ist, diverse Schadsubstanzen parallel an verschiedenen Arten zu überprüfen als nur Einzeltoxizitätstests durchzuführen, ist ein weiteres Ergebnis ihrer Studien.


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Wenn ein Ruderfusskrebs nicht richtig wächst, kann dies seine Fortpflanzung gefährden. Und wenn er sich nicht normal bewegen kann, flüchtet er nicht vor Feinden oder sich ändernden Temperaturen, was schlussendlich einen tödlichen Ausgang nimmt. Das nennt die Forschung subletale Effekte. Jedoch die gängigen Methoden der Pestizidanalysen und damit verbundene Risikobewertung betrachten weltweit nur die letalen (tödlichen) Effekte. Drei Studien, die in „Ecotoxicology“, „Environmental Science and Pollution Research“ und „Environmental Toxicology and Chemistry“ veröffentlicht wurden, zeigen erstmals die subletalen Effekte an Schwimmverhalten und Wachstum auf, die weit verbreitete Pestizide an den beobachteten Tieren hervorrufen. Die Ergebnisse weisen außerdem daraufhin, dass die Stoffe über Wochen die Unterwasserwelt beeinflussen, selbst wenn sie mit gängigen Methoden schon nicht mehr nachweisbar sind.

Pestizide sind erst im Kombi-Pack besonders toxisch

Weiterer Faktor ist die Mischung der Pestizide: „Wir haben die Insektizide nicht einzeln betrachtet, sondern als Mischung, um die Wechselwirkung untereinander zu untersuchen“, erklärt Erstautorin Dr. Simone Hasenbein vom TUM-Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie – „außerdem haben wir mehrere Arten in dem belasteten Gewässer beobachtet, auch die weniger gängigen bei solchen Tests wie etwa Mini-Schnecken und Ruderfusskrebse.“

Die Tests fanden über zehn Tage im Labor als auch über sechs Monate im Freiland statt in Kooperation mit der Universität von Kalifornien in Davis. Für zwölf von 15 kleinen wirbellosen Tierarten und zehn von 16 Krebstierarten wurden schließlich signifikant negative Effekte durch die Kombination der Pestizidbelastung im Wasser festgestellt. „Zusätzlich wurde berücksichtigt, wie lange das Insektizid im Wasser nachgewiesen werden konnte“, erläutert Dr. Hasenbein die Methode – „so war einer der drei Stoffe noch nach sechs Wochen nachweisbar.“

Kombination von Studienreihen liefert eindeutiges Ergebnis

  • Die Labortests lieferten einerseits den Hinweis, bei welchen Konzentrationen die Schadstoffe das Wachstum und Schwimmverhalten der Lebewesen beeinflussen.
  • Die Freilandstudien konnten die Langzeiteffekte auf ein ganzes Ökosystem, sein Nahrungsnetz und seine Gesellschaftsstrukturen belegen.

Erst in der Kombination aller Ergebnisse können die negativen Effekte auf aquatische Ökosysteme eingeordnet werden. Da die beobachteten Kleinstlebewesen weitaus länger von den Pestiziden beeinflusst werden, als diese Stoffe nachweisbar sind, lässt dies zudem die Folgerung zu, dass die Gewässer weitaus stärker belastet sind, als bislang immer nachgewiesen werden konnte.

Subletale Effekte als Alarmsignale

Ein wichtiger Indikator dafür sind die an Schwimmverhalten, Wachstum oder Gewicht festzustellenden Veränderungen der Tiere, die am Ende zu ihrem Tod führen (subletal). Doch eine dafür gültige Skala, ab welchem Punkt beispielsweise eine Wachstumsverzögerung für das Tier tödlich endet, gibt es bislang nicht. Studienautorin Dr. Hasenbein fordert daher genau das: „Es müssen subletale Endpunkte in die Methoden der Gewässer- und Pestizidüberwachung einfließen, um auch bei niedrigen Pestizidkonzentrationen in Gewässern die langfristigen negativen Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme rechtzeitig zu detektieren“, sagt die Wissenschaftlerin.

„Eine Krebs-Population, die einer geringen Schadstoffbelastung ausgesetzt ist, könnte anfälliger sein für invasive Arten, eine sich ändernde Wassertemperatur oder einen anderen Salzgehalt, weil die permanente geringe Pestizidbelastung den Stress der Tiere erhöht“, sagt Dr. Hasenbein. Dies sei besonders vor dem Hintergrund des Klimawandels ein wichtiger Aspekt und sollte daher künftig in ökotoxikologischen Bewertungen berücksichtigt werden.

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