IMK Inflationsmonitor: Teuerungsraten für alle Haushaltstypen unter zwei Prozent - EZB sollte mutiger bei Zinssenkungen sein

Die Inflationsrate in Deutschland ist im August gegenüber Juli von 2,3 auf 1,9 Prozent gesunken. Damit lag sie erstmals seit März 2021 wieder leicht unter dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Hauptgrund dafür war ein kräftiger Rückgang der Energiepreise, der mehr als ausglich, dass die weitgefassten Nahrungsmittelpreise etwas stärker zulegten als im Vormonat (um 2,3 Prozent nach 2,2 Prozent).


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Auch die Kernrate der Inflation, also die Teuerung ohne die relativ stark schwankenden Komponenten Lebensmittel und Energie, sank. Dementsprechend sind auch die Inflationsraten verschiedener Haushaltstypen, die sich nach Einkommen und Personenzahl unterscheiden, im August zurückgegangen. Der Unterschied zwischen der höchsten und der niedrigsten haushaltsspezifischen Inflationsrate war relativ gering und betrug 0,4 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Inflationswelle im Herbst 2022 waren es 3,1 Prozentpunkte. Während einkommensschwache Haushalte im Mittel des Jahres 2022 und auch 2023 eine deutlich höhere Teuerung schultern mussten als Haushalte mit mehr Einkommen, war ihre Inflationsrate im August 2024 wie in den Vormonaten etwas unterdurchschnittlich: Der Warenkorb von Alleinlebenden und von Paaren mit Kindern und jeweils niedrigen Einkommen verteuerte sich um je 1,5 Prozent. Die gleiche Teuerungsrate verzeichneten im August Alleinerziehende und Paare mit Kindern und jeweils mittleren Einkommen. Das ergibt der neue IMK Inflationsmonitor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vorlegt.

Insgesamt lagen die Inflationsraten aller untersuchten neun Haushaltstypen im August unter zwei Prozent. Im weiteren Jahresverlauf seien zwar noch einzelne „Preishüpfer“ nach oben möglich, der Trend bei der Preisdynamik weise aber weiter nach unten, analysieren Dr. Silke Tober, IMK-Inflationsexpertin, und der wissenschaftliche Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien: „Die Inflation ist aus heutiger Sicht unter Kontrolle.“ Da gleichzeitig die Konjunkturentwicklung auch aufgrund der hohen Zinsen schwach ist, halten die Fachleute des IMK weitere Zinssenkungen durch die EZB für dringend erforderlich. Die bislang nach wie vor „restriktive Geldpolitik dämpft nicht nur die Wirtschaft stärker als erforderlich, sondern erhöht zudem das Risiko einer höheren Inflation in den kommenden Jahren“, warnen Tober und Dullien. Hintergrund: Die hohen Zinsen und Finanzierungskosten bremsen Investitionen. Die sind einmal für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft nötig und bringen zum zweiten technischen Fortschritt und höhere Produktivität, was wiederum günstigere Preise für Waren und Dienstleistungen ermöglicht.   

Tober und Dullien berechnen seit Anfang 2022 monatlich spezifische Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Zahl und Alter der Mitglieder sowie nach dem Einkommen unterscheiden. In einer Datenbank liefert der Inflationsmonitor zudem ein erweitertes Datenangebot: Online lassen sich Trends der Inflation für alle sowie für ausgewählte einzelne Haushalte im Zeitverlauf in interaktiven Grafiken abrufen.

Die längerfristige Betrachtung illustriert, dass ärmere Haushalte während der Teuerungswelle bis in den Sommer 2023 hinein besonders stark durch die Inflation belastet waren, weil sie einen großen Teil ihres schmalen Budgets für Güter des Grundbedarfs wie Nahrungsmittel und Haushaltsenergie ausgeben müssen. Diese waren lange die stärksten Preistreiber. Im Laufe der letzten Monate hat die Preisdynamik dort aber nachgelassen, so dass sich die einkommensspezifischen Differenzen seit dem Höhepunkt im Oktober 2022 deutlich verändert haben. Damals hatten Familien mit niedrigen Einkommen die höchste Inflationsbelastung im Haushaltsvergleich mit 11,0 Prozent. Dagegen waren es beim Haushaltstyp der Alleinlebenden mit sehr hohen Einkommen 7,9 Prozent. 

Aktuell verteuern sich die spezifischen Warenkörbe von ärmeren Haushalten weniger stark als der Durchschnitt, weil die im Jahresvergleich geringeren Preise für Energie bei ihnen ein relativ großes Gewicht haben. Dass wiederum Alleinlebende mit sehr hohen Einkommen mit 1,9 Prozent im August – wie auch in den Monaten zuvor – eine leicht höhere Inflationsrate hatten als die übrigen Haushalte im Vergleich, liegt daran, dass diese Haushalte stärker als andere etwa Kfz-Versicherungen, Restaurantdienstleistungen, Gesundheitsdienstleistungen oder Dienstleistungen zur Wohnungsinstandhaltung nachfragen, die in den vergangenen Monaten eine überdurchschnittliche Teuerungsrate aufwiesen. Die Inflationsrate von Paaren ohne Kinder mit mittleren Einkommen betrug im August 1,8 Prozent, die von Alleinlebenden mit mittleren und mit höheren Einkommen jeweils 1,7 Prozent. Der Warenkorb von Paaren mit Kindern und hohen Einkommen verteuerte sich um 1,6 Prozent.

Erstmals seit mehreren Jahren liegt die Inflationsrate für alle Haushaltstypen unterhalb der EZB-Zielinflation. Das ist erfreulich und ein wichtiges Signal für die Geldpolitik. Allerdings darf dabei nicht ausgeblendet werden, dass das Preisniveau in Deutschland trotzdem deutlich höher ist als vor der Inflationswelle. Die Kaufkraft eines Teils der Haushalte hat sich von dem Teuerungsschub noch nicht vollständig erholt – insbesondere, wenn man auch die Erhöhungen der Sozialbeiträge und Steuerentlastungen mit einrechnet. Das gilt vor allem für Familien der Mittelschicht, wie wir kürzlich in einer Studie gezeigt haben

Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftliche Direktor des IMK

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich. Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Hans-Böckler-Stiftung direkter Link zum Artikel