Bodenverbrauch bewegt: Crowdfunding für Klimaklage sammelt mehr als 22.000 Euro in wenigen Wochen

Zahlreiche Initiativen und Betroffene unterstützen die Staatshaftungsklage der österreichischen NGO AllRise. Wird das Crowdfunding-Ziel von 30.000 Euro erreicht, sind auch Individualanträge beim Verfassungsgerichtshof geplant.


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Nach nicht einmal drei Wochen hat die NGO AllRise 70 Prozent ihres Crowdfunding-Ziels für eine Klimaklage gegen die Republik Österreich wegen des hohen Bodenverbrauchs erreicht. Denn durchschnittlich werden pro Tag 16 Fußballfelder wertvollen Bodens verbraucht. Vielmehr als im Regierungsprogramm vorgesehen. Zahlreiche Betroffene und Initiativen aus dem ganzen Land haben sich gemeldet, um Synergien zu nutzen und die Klage zu unterstützen. Auch Prominente sprechen sich für einen Stopp der Flächenversiegelung aus, so etwa Peter Klien, Monica Weinzettl, Gerold Rudle, Laurence Rupp und viele mehr. "Wir wussten, dass das Thema Bodenverbrauch in Österreich ein sehr emotionales ist. Mit derart großem Zuspruch und zahlreichen Anrufen Betroffener haben wir dennoch nicht gerechnet", freut sich Johannes Wesemann, Initiator und Gründer von AllRise. "Alle Menschen, die unser Crowdfunding unterstützen, die unsere Klage mittragen und sich bei uns melden, senden damit auch ein deutliches Signal an die Politik. Sie wünschen sich Gesetze, die den Flächenfraß eindämmen, wertvolle Ackerböden schützen und damit auch unsere Ernährungssicherheit."

Vom Burgenland bis nach Vorarlberg

Auf der Website der Initiative werden bereits Negativbeispiele aufgeführt. Darüber hinaus haben sich viele weitere Betroffene bei AllRise gemeldet. "In den letzten Tagen und Wochen haben uns eine Vielzahl an Mails und Anrufen erreicht. Wir versuchen alle Anfragen zu beantworten und mögliche Synergien für die einzelnen Initiativen und unsere Klage herauszuarbeiten", erklärt Anwalt Wolfram Proksch, der die Staatshaftungsklage vorbereitet, und ergänzt: "Wenn wir unser Crowdfundingziel erreichen und die juristischen Voraussetzungen gegeben sind, können wir einige Betroffene auch bei der Einreichung eines Individualantrags unterstützen." Mit diesem Instrument können Gesetze und Verordnungen vom Verfassungsgerichtshof überprüft werden lassen.

Die Projekte, die an AllRise herangetragen werden, reichen dabei von fragwürdigen Verkaufstransaktionen, Umfahrungen und neuen Straßen, über geplante Verteilzentren bis hin zu Industrieanlagen, die auf grünen Wiesen gebaut werden sollen, obwohl beispielsweise Leerstand vorhanden ist:

Amazon Verteilzentrum / Sankt Valentin (Niederösterreich)

Auf einer Fläche von 53.000m² soll in St. Valentin ein Amazon-Verteilzentrum errichtet werden. Der Bauherr des geplanten Projektes hat das Grundstück - aufgrund seines Grundrisses - selbst als nicht ideal bezeichnet. Es würde mehr Boden als bei vergleichbaren Projekten dieser Größenordnung versiegelt. Obwohl in anderen Gemeinden Projekte von Amazon abgelehnt wurden, hat die Mehrheit der Gemeinderäte in St. Valentin für eine weitere Verhandlung über die Ansiedlung gestimmt.

Eine Bürgerinitiative mit über 60 Mitgliedern setzt sich gegen die Pläne ein und sieht eine Vielzahl an Problemen: Der Boden ist fruchtbare, ertragreiche Ackerfläche, an die 20.000 m² des Grundstücks befinden sich im Eigentum der Stadtgemeinde. Warum dieser wertvolle Grund und Boden einem amerikanischen Monopolisten wie Amazon verkauft werden soll, der durch aggressives Wachstum versucht seine Marktmacht weiter auszubauen, ist nicht erklärbar. Mit einem Verteilzentrum für den Internetriesen erhöht sich das Verkehrsaufkommen der ohnehin überlasteten Region enorm und lokale Händler geraten weiter unter Druck. Mittlerweile existieren Resolutionen anderer Gemeinden gegen das Projekt.

Die Bürgerinitiative "Nein zum geplanten Amazon Verteilzentrum in St.Valentin" fragt sich: "Welchen Nutzen haben Bürger und Stadtgemeinde, wenn sich Amazon ansiedelt? Wo und in welcher Höhe entrichtet Amazon seine Gewinnsteuern? Die Kommunalsteuer reduziert sich potenziell, je mehr Mitarbeiter künftig durch Roboter und KI ersetzt werden. Die verbleibenden Arbeitsplätze schaffen keinen Mehrwert, denn die Arbeitsbedingungen sind prekär. Das Projekt wirkt sich auf sämtlichen Ebenen negativ auf Umwelt und kommende Generationen aus." Als mündige BürgerInnen stehen sie dagegen auf: "Nur gemeinsam können wir etwas bewegen!" Eine Online-Petition gegen das Projekt ist im Internet zur Unterschrift verfügbar, am 18. April 2023 findet die nächste Argumentationsveranstaltung der Bürgerinitiative, um 19 Uhr im Gasthaus Wallner in St.Valentin statt - Interessierte sind herzlich eingeladen.

Westspange / Steyr (Oberösterreich)

Die 4,2 Kilometer lange Umfahrung in Steyr, die laut Berechnungen 55 Mio. Euro kosten soll, wird eine neue Transitroute von Berlin über Prag und Linz bis nach Koper eröffnen und das Verkehrsaufkommen in der Region erheblich erhöhen. Das ist auch in den offiziellen Verkehrsprognosen des Landes ersichtlich. Umweltaktivist Paul Enzendorfer, der die Bürgerinitiative "Grüngürtel statt Westspange" vor Ort unterstützt, äußert neben dem Verkehr vor allem große Bedenken für die Nahrungssicherheit: "Der Klimawandel schreitet voran und unsere Böden sind immer stärker vor dem Austrocknen bedroht. Wenn wir nun fruchtbaren Boden wie hier in Oberösterreich versiegeln, dann werden wir künftig vor allem von Importen abhängig sein. Essen wird dann zur knappen Ressource." Stark kritisiert wird von Enzendorfer auch, dass das Konzept stark veraltet ist. "Der Fokus liegt nur auf Straßen, der öffentliche Verkehr und Klimaschutz spielen dabei keine Rolle. Das ist nicht zeitgemäß und daher verlangen wir, dass die Politik endlich dazulernt."

Logistikzentrum ALPLOG-Nord / Villach (Kärnten)

Auf den "Federauner Feldern" planen die Stadt Villach und die Deutsche Logistik Holding ein LKW-Verteilerzentrum ohne Bahnanschluss, obwohl direkt auf der gegenüberliegenden Seite der Gail das bereits bestehende, jedoch nicht ausgelastete Logistikzentrum LCA-Süd mit Bahnanschluss liegt. Dafür müssten rund 20 Hektar Wiesenlandschaft versiegelt werden, die direkt an der Grenze zu zwei Europaschutzgebieten liegen. Besonders skurril: Als Ausgleichsmaßnahme sollen 7 Hektar Wald im Schutzgebiet gerodet und in Offenlandschaft umgewandelt werden. Die Bürgerinitiative "Rett' ma die Schütt!" hat Unterschriften für eine Gemeinde-Volksbefragung eingereicht, deren Durchführung im Februar 2023 von SPÖ, ÖVP und FPÖ abgelehnt wurde. Der Sprecher der Initiative Anton Dicketmüller ist empört: "Der Bodenverbrauch in Österreich ist ohnehin schon enorm. Warum soll neue Fläche versiegelt werden, die noch dazu eine sehr sensible Fläche betrifft, wenn sich in unmittelbarer Nähe ein nicht ausgelastetes Logistikzentrum befindet? Es geht hier ganz offenbar nur ums Geld."

AllRise