Europa hat die Macht, ein Viertel der am stärksten bedrohten Landschaften weltweit zu schützen

Globale Koalition von mehr als 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen

Globale NGO-Koalition fordert die Europäische Kommission auf, „sonstige bewaldete Flächen" in die EU-Verordnung gegen Entwaldung aufzunehmen, um fast eine Milliarde Hektar gefährdeter Ökosysteme vor der Zerstörung zu schützen. 


Voller Zugriff auf den Tagesanzeiger – Registrieren Sie sich jetzt kostenlos!

Um den vollständigen Artikel im Tagesanzeiger zu lesen, melden Sie sich bitte in Ihrem Themennetzwerke®-Konto an. Die Registrierung bei Themennetzwerke® ist kostenlos und ermöglicht Ihnen den vollständigen Zugang zum Tagesanzeiger und vielem mehr.

Falls Sie den Tagesanzeiger bereits auf kommunalwirtschaft.eu abonniert hatten und davor keinen Themennetzwerke® Account registriert hatten, dann klicken Sie auf den folgenden Link, um Ihr Passwort zu Ihrer bereits registrierten E-Mail-Adresse hinzuzufügen: Passwort für kommunalwirtschaft.eu Abonnenten hinzufügen

Jetzt einloggen Kostenlos registrieren

Eine globale Koalition von mehr als 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen wie ISPN aus Brasilien, Satya Bumi aus Indonesien und weiteren Organisationen aus Äthiopien fordert die Europäische Kommission auf, die Verordnung gegen Entwaldung (EUDR) für bedrohte Waldlandschaften wie Buschland auszudehnen. Damit würde ein großes Schlupfloch in der Verordnung geschlossen, das bislang wertvolle bewaldete Ökosysteme im Umfang von fast eine Milliarde Hektar ungeschützt lässt. Darunter die stark bedrohte Cerrado-Savanne und das Pantanal in Brasilien sowie der Chaco in Argentinen, in denen ein großer Teil der Entwaldung für den EU-Konsum – etwa für Sojafutter oder Rindsleder – stattfindet. 

Die Organisationen Mighty Earth, Rainforest Foundation Norway, Madre Brava, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Ecologistas en Acción und Forests of the World, die von mehr als 60 Organisationen unterstützt werden, veröffentlichen heute den Bericht „Warum auch ‚sonstige bewaldete Flächen‘ in die neue EU-Verordnung gegen Entwaldung gehören“. Der Bericht beleuchtet die dramatischen Auswirkungen der Gesetzeslücke auf diese für das Klima und die Biodiversität unverzichtbaren Biome und zeigt die Notwendigkeit einer Ausweitung der EU-Verordnung auf. Ohne Anpassung der EUDR würde sich die Zerstörung dieser Ökosysteme sogar beschleunigen, warnt das NGO-Netzwerk. Entwaldungsaktivitäten würden verstärkt von geschützten Waldflächen in diese Biome verlagert.

Der Bericht zeigt, dass eine Aufnahme von "anderen bewaldeten Flächen" in die EUDR zudem 59,7 Millionen Hektar des Cerrado, weitere 8,7 Millionen Hektar im Chaco und zusätzliche 2,2 Millionen Hektar im Pantanal-Ökosystem schützen würde. In anderen Regionen wie Afrika und Asien würden ebenfalls Millionen Hektar zusätzlich geschützt. Dies sei ein unverzichtbarer Schritt, den die EU unternehmen muss, um die Klimakrise und den Verlust der globalen Artenvielfalt zu bekämpfen.

Neueste Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zeigen, dass eine riesige Fläche von schätzungsweise 977 Millionen Hektar an Landschaften und Ökosystemen, die als "sonstige bewaldete Flächen" (Other wooded land – OWL) bekannt sind – etwa ein Viertel der weltweiten Wälder – in hohem Maße von Abholzung und Zerstörung durch eine rohstoffgetriebene Expansion bedroht sind. Die meisten dieser "sonstigen bewaldeten Flächen" befinden sich in Afrika (etwa 446 Millionen Hektar), 190 Millionen Hektar in Asien und 147 Millionen Hektar in Südamerika. 
Die EUDR, die im Juni verabschiedet wurde, verbietet erstmals die Einfuhr von sieben wichtigen Rohstoffen – darunter Rindfleisch, Soja, Kakao und Palmöl – in die Europäische Union, wenn sie mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung gebracht werden. Das Gesetz wird Ende 2024 in Kraft treten.

„Die EUDR ist ein bahnbrechendes neues Gesetz zur Vermeidung von Entwaldung, aber ihr Geltungsbereich muss dringend erweitert werden, um fast eine Milliarde Hektar von ‚anderem bewaldeten Land‘ wie den Cerrado in Brasilien einzubeziehen, der derzeit durch die von Soja und Rindern betriebene Entwaldung und Zerstörung verwüstet wird", sagt Alex Wijeratna, Senior Director von Mighty Earth. „Wir brauchen den Cerrado genauso wie den Amazonas, um den Klima- und Naturnotstand zu bekämpfen." „Für uns indigene Völker ist kein Biom weniger wertvoll als ein anderes, sie sind alle gleich wichtig", sagt Dinamam Tuxá, Exekutivkoordinator der Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens (APIB). „Wir, die indigenen Völker, leben in allen Biomen, nicht nur im Amazonas-Regenwald. Deshalb ist es wichtig, dass die europäische Gesetzgebung zur Null-Abholzung den Schutz all unserer Gebiete berücksichtigt." 
Die durch Soja verursachte Entwaldung im Cerrado hat kürzlich ein Rekordniveau erreicht. Während es Brasilien gelungen ist, die Abholzungsspirale im Amazonas-Regenwald in der ersten Hälfte dieses Jahres zu stoppen, wurde in der benachbarten Cerrado-Savanne im gleichen Zeitraum eine Umweltzerstörung auf Rekordniveau verzeichnet, die im April 709 Quadratkilometer erreichte. Laut offiziellen Daten des brasilianischen Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) ist dies die höchste Entwaldungszahl seit 2018.  

„Während die EUDR ein weiterer absolut notwendiger Schritt zum Schutz von Waldgebieten wie dem Amazonas-Regenwald ist, bleiben andere Waldgebiete außen vor. Die Cerrado-Savanne in Brasilien beispielsweise hat bereits die Hälfte ihrer Fläche durch Sojaanbau und Viehzucht verloren und wird auch nach der aktuellen Gesetzgebung weiterhin ungeschützt bleiben“ kommentiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. „Deutschland bezieht schätzungsweise mehr als 1,8 Millionen Tonnen Sojafuttermittel direkt aus Brasilien, wovon etwa 56 Prozent aus dem Cerrado stammen. Ohne die Einbeziehung anderer bewaldeter Gebiete in die EUDR wird Deutschland, Europas viertgrößter Importeur von Soja aus dem Cerrado, eine Verlagerung der Beschaffung weg von Gebieten wie dem Amazonas (z. B. das Sojamoratorium 2016) hin zu ebenso wichtigen Biomen wie dem Cerrado weiter vorantreiben. Die Einbeziehung anderer Waldgebiete ist unumgänglich und unverzichtbar, wenn wir mit unserem nationalen Konsum nicht essentiell wichtige Gebiete für Biodiversität und Klimaschutz zerstören wollen." 

DUH Deutsche Umwelthilfe e.V. direkter Link zum Artikel